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Rund 88 % soll die durchschnittliche Verschuldung der öffentlichen Haushalte in der Eurozone per Ende 2011 betragen, so neue Berechnungen der Europäischen Kommission. Ab 2013 soll die Verschuldung wieder sinken, ein konstantes Wirtschaftswachstum wäre hierzu allerdings Voraussetzung. Die öffentlichen Haushaltsdefizite liegen im Schnitt mit prognostizierten 4,3 % für dieses Jahr nach wie vor deutlich über den 2 % Defizit aus dem Jahr 2008, dem Jahr, in dem die Finanzkrise begann. Eines zeigt der Bericht der EU-Kommission zu den öffentlichen Finanzen deutlich auf: Die vor allem vom Finanzsektor verursachte Krise ist nach wie vor nicht überwunden.
Einige Passagen aus dem Bericht über die öffentlichen Finanzen 2011 gleichen Durchhalteparolen. So schreibt die Kommission: „Die EU-Strategie der schrittweisen und differenzierten Haushaltskonsolidierung hat angesichts anhaltender Marktturbulenzen und des ungewissen Tempos der wirtschaftlichen Erholung nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt“. Die Kommission betont, dass Mitgliedstaaten mit haushaltspolitischem Spielraum durchaus ihre automatischen Stabilisatoren wirken lassen sollen. Diejenigen Staaten, auf die Druck von den Märkten ausgeübt wird, müssen jedoch, so die Kommission, ihre haushaltspolitischen Zielvorgaben weiterhin erfüllen und im Notfall weitere Maßnahmen ergreifen.

Vier Länder über der 100 % Schuldenmarke

Vier Länder haben derzeit einen Schuldenstand jenseits der 100 %/BIP-Marke: Griechenland, Italien, Irland und Portugal. Belgien liegt mit 97 % nur knapp darunter. Gerade Frankreich und Deutschland, die in der Finanzkrise Regie führen und anderen Mitgliedsländern Anweisungen geben, haben selbst mit einer hohen Verschuldung von rund 85 bzw. 82 % zu kämpfen und weisen damit die sechst- bzw. siebenthöchste Verschuldung untern den Eurozonen-Mitgliedstaaten auf. Österreich liegt mit einem Schuldenstand von rund 74 % etwa im Mittelfeld der Eurozone.

Der Kommissionsbericht liefert auch interessante Details zur Entwicklung der Verschuldung der einzelnen Mitgliedstaaten. So geht die Kommission von einem Anstieg der Schulden Griechenlands zwischen 2007 und 2012 von 105 auf 166 % aus. Mehr als 31 % der 61 %igen Erhöhung gehen laut den KommissionsbeamtInnen auf eine gestiegene Zinslast und das schlechte Wirtschaftswachstum zurück. Das von den Ratingagenturen binnen kurzer Zeit auf „Ramschstatus“ gesetzte Griechenland befindet sich nunmehr das dritte Jahr in Folge in einer Rezession, die sich in diesem Jahr zudem noch verschärfen dürfte.

Griechenland verbessert seinen Primärhaushalt deutlich

Bisher kaum erwähnt wurde die positive Entwicklung des Primärhaushalts Griechenlands: Der Primärhaushalt, das sind die Einnahmen abzüglich der Ausgaben exklusive der Bedienung der Schulden verbessert sich zwischen 2009 und 2012 laut Prognose von -8,9 % auf -0,4 %. Zum Vergleich: Österreich wird sein Defizit beim Primärhaushalt von 0,1 % bis zum Jahr 2012 voraussichtlich ausgleichen können.

Interessant auch die Entwicklung der Schulden im Falle Irlands: Zwischen 2007 und 2012 rechnet die Kommission mit einem Anstieg von 25 auf 118 %, also eine Erhöhung von etwa 93 Prozentpunkten. Allein 20 % der neuen Schulden gehen auf das Konto der Bankenrettungspakete, errechnet die Kommission. Mehr als 58 % der Neuverschuldung geht allerdings auf ein hohes Primärdefizit zurück.
EU-Wirtschaftskommissar Rehn setzt weiterhin auf das sogenannte „Six-Pack“, ein Paket von sechs Gesetzesinitiativen, vier davon betreffen die Haushaltspolitik. Inhalt dieser Vorschläge sind unter anderem eine Ausgabenbremse, Konkretisierungen zum Schuldenstandkriterium und die Möglichkeit der Verhängung von Sanktionen.

Bessere haushaltspolitische Rahmenvorschriften sollen helfen


In einem weiteren Teil des Berichts zu den öffentlichen Haushalten 2011 sucht die Europäische Kommission nach Begründungen für die großen Unterschiede bei den Zinsen für Staatsanleihen. Nicht nur die Höhe von Verschuldung und Defiziten spiele eine Rolle, sondern auch die Qualität der haushaltspolitischen Rahmenvorschriften. Dies sei unter anderem auch an den Länderratings beziehungsweise den Aufschlägen für Credit Default Swaps, einem der vielen Derivate-Spielzeuge der Finanzindustrie, die Spekulationen auf Ausfallsrisiken von Anleihen möglich machen, zu erkennen. Makrofinanzielle Ungleichgewichte spielen aber auch eine große Rolle für die Anfälligkeit der öffentlichen Haushalte, so die Kommission. Regulierungen im Bankensektor könnten die Risiken deutlich reduzieren. Wären die fiskalpolitischen Rahmenbedingungen besser gewesen, müssten die Mitgliedstaaten um bis zu 1,3 % weniger Zinsen auf ihre Staatsanleihen bezahlen, glaubt die Kommission.

Weiterführende Informationen:

Bericht der Europäischen Kommission über die öffentlichen Haushalte 2011 (nur auf Englisch verfügbar)