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Über weite Strecken enttäuschend ist der diese Woche veröffentlichte Kommissionsvorschlag zu den EU-Haushalten von 2014 bis 2020 ausgefallen. Lange hat Kommissionspräsident Barroso beteuert, dass die Reduzierung von Arbeitslosigkeit und Armut ebenso wie bessere Bildung in der Europäischen Union für ihn seine Topprioritäten wären. Nun stellt sich heraus, dass außer allgemeinen Bemerkungen zur Europa 2020-Strategie keine neuen Maßnahmen aus EU-Haushaltssicht zu erwarten sind. Anstatt die Gemeinsame Agrarpolitik zu reformieren, schlägt die Kommission vor, dem Landwirtschaftsbereich nun auch den Zugriff auf den EU-Forschungsfonds und den Globalisierungsfonds zu ermöglichen. Auch für die Lebensmittelsicherheit sind extra-Gelder vorgesehen.
Rund 84 Mrd. € soll der Europäische Sozialfonds nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission für insgesamt sieben Jahre ab 2014 umfassen. Inflationsbereinigt bleibt die Mittelausstattung damit bestenfalls gleich, obwohl der EU-Finanzrahmen ab 2014 mit Kroatien für 28 Mitgliedsstaaten gelten soll. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der FinanzministerInnenrat Kürzungen vornimmt, so wie er es vor sieben Jahren mit dem derzeit laufenden Finanzrahmen gemacht hat. Damals wurde der Kommissionsvorschlag um 17 Prozent heruntergekürzt. Selbst wenn es bei den 84 Mrd. € bleiben sollte, zeigt sich deutlich, dass es der Kommission mit der Europa 2020-Strategie zumindest was Armut, Arbeitslosigkeit und Bildung angeht nicht ernst ist.

Kaum Akzente zur Verwirklichung der Europa 2020-Ziele in der Strukturpolitik

In der EU-Strukturpolitik hebt die Kommission hervor, dass ein gemeinsamer Rahmen für alle Strukturfonds geschaffen werden soll, um die Europa 2020-Ziele besser umsetzen zu können. Eine Vorgehensweise, die so weit zu begrüßen ist. Die Mittel sollen für eine begrenzte Anzahl an Prioritäten eingesetzt werden und zwar in den reicheren Regionen für Energie, Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Klein- und Mittelunternehmen, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. In ärmeren Regionen soll es eine größere Auswahl an Prioritäten geben wie zum Beispiel den Aufbau von institutionellen Kapazitäten. In Summe sind inklusive der Mittel für den Europäischen Sozialfonds 376 Mrd. € vorgesehen. Angesichts der von der Kommission aufgezählten Prioritäten, stellt sich allerdings die Frage, was sich überhaupt gegenüber dem laufenden Finanzrahmen ändert. Die Akzente für Europa 2020 sind jedenfalls nicht wirklich erkennbar.

83 % der Globalisierungsfondsgelder für den Landwirtschaftssektor

Die tatsächliche Priorität dürfte weiterhin im Landwirtschaftsbereich liegen: Im offiziellen Kommissionstext ist zu lesen, dass eine grünere Agrarpolitik verfolgt werden soll. Eine 30%ige Anknüpfung der Direktbeihilfen für Landwirtschaftsbetriebe an Umweltziele ist aber ganz sicher nicht die umfassende Agrarreform, die man sich hätte erwarten können. Gänzlich neu ist der Ansatz, dass die Landwirtschaft nun auch auf den Forschungs- und den Europäischen Globalisierungsfonds zurückgreifen können soll. Der Fonds, geschaffen, um Beschäftigte zu unterstützen, die aufgrund der Globalisierung ihren Arbeitsplatz verloren haben, wird damit komplett zweckentfremdet. Die Kommission sieht vor, dass bis zu 83 % bzw. 2,5 Mrd. € (!!) der insgesamt verfügbaren 3 Mrd. € dem Agrarbereich zugutekommen können. Zudem sind zusätzliche Mittel für die Lebensmittelsicherheit geplant. Damit stehen dem Landwirtschaftsbereich aus den Fonds außerhalb des Agrarsektors zusätzliche 15 Mrd. € zur Verfügung. In Summe stehen für die Landwirtschaftspolitik rund 387 Mrd. € für einen Zeitraum von sieben Jahren zur Verfügung.

15,2 Mrd. € für Bildungsprogramme wie Erasmus, Youth und Lifelong Learning

Unter dem Titel in „Humankapital“ investieren werden diesmal die altbekannten EU-Bildungsprogramme wie Erasmus Mundus, Youth oder Lifelong Learning geführt. 15,2 Mrd. € sollen in diesem Bereich investiert werden. Kulturprogramme finden sich unter dieser Überschrift ebenso, das Volumen beträgt 1,6 Mrd. €.
Einen eigenen Schwerpunkt setzt die Kommission diesmal bei der Migrationspolitik. Grund ist laut Kommission die wachsende Besorgnis der Öffentlichkeit wegen illegaler Migration und Integration. Daher will die Kommission eine Priorität zur Schaffung eines sicheren und effizienten Europäischen Asylsystems setzen.

Für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte veranschlagt die Kommission unter dem Titel „Connecting Europe“ rund 40 Mrd. € für den Zeitraum 2014 bis 2020. Darin enthalten sind die Transeuropäischen Verkehrs- wie auch Energienetze und Informationstechnologien. Von österreichischer Seite unter anderem von Bedeutung sind dabei der baltisch-adriatische Korridor (inklusive dem Koralm-Tunnel) und der Helsinki-Valletta-Korridor (inklusive dem Brenner-Tunnel), die beide von der Europäischen Union mitfinanziert werden sollen.

Für die gemeinsame EU-Außenpolitik sollen 70 Mrd. € aufgewendet werden. Außerhalb des EU-Finanzrahmens gibt es weitere 30 Mrd. € für den Europäischen Entwicklungsfonds.
In der Verwaltung sind Ausgaben in Höhe von 62,6 Mrd. € vorgesehen. Diesbezüglich kündigte der zuständige Kommissar Maroš Šefčovič eine umfassende BeamtInnenreform an, die unter anderem erhebliche Kürzungen bei den Zulagen, eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 40 Stunden und eine Verkleinerung des BeamtInnenapparats vorsehen.
Die Kommission schlägt vor, einige Projekte aus dem EU-Finanzrahmen auszulagern. Das betrifft unter anderem den Europäischen Globalisierungsfonds, den Solidaritätsfonds, eine Reserve für Krisen im Landwirtschaftsbereich, einen globalen Klima- und Biodiversitätsfonds, und Großprojekte wie ITER und GMES. Die Ausgaben außerhalb des EU-Haushaltsrahmens belaufen sich auf 58 Mrd. € bzw. 5,7 Prozent des EU-Budgets von 2014 bis 2020.

EU-Haushalt schrumpft deutlich

Gegenüber dem Kommissionsvorschlag zum Finanzrahmen 2007 bis 2013 geht das im neuen Kommissionsvorschlag für die Jahre 2014 bis 2020 präsentierte Budgetvolumen deutlich zurück. In absoluten Zahlen bleiben die beiden Vorschläge beinahe exakt gleich bei 1.025 Mrd. €. Im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (BNE) schrumpft das EU-Budget jedoch drastisch von 1,26 Prozent auf 1,05 Prozent. Die EU-FinanzministerInnen kürzten den Kommissionsvorschlag damals auf 862 Mrd. € bzw. 1,045 Prozent des BNE zusammen. Sollten die FinanzministerInnen für den neuen Finanzrahmen ähnliche Pläne haben, ist mit einem EU-Budget zu rechnen, das sehr deutlich unter einem Prozent liegen wird.

Neue Eigenmittelressourcen

Die Europäische Kommission möchte ein neues System zur Finanzierung des EU-Budgets ins Leben rufen, nicht zuletzt um die jährliche NettozahlerInnendiskussion zu beenden. Die Kommission schlägt daher ein Eigenmittelsystem vor, das auf der Finanztransaktionssteuer und einem neuen Mehrwertsteuersystem basieren soll. Die Kommission hofft, dass der Eigenmittelanteil durch die neuen Ressourcen auf bis zu 60 Prozent im Jahr 2020 ansteigt. Nähere Details zur Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer nannte die Kommission jedoch nicht.
 
Verhandlungen im Europäischen Parlament und dem Rat

Im Rahmen der Verhandlungen im Rat und dem Europäischen Parlament besteht noch Hoffnung darauf, dass es zu Umschichtungen der Budgetmittel zugunsten der Europa 2020-Ziele kommt. Beschlossen wird der neue EU-Finanzrahmen voraussichtlich erst Ende 2012.