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Bereits seit längerem ist die Vorgehensweise der Kommission bei KonsumentInnenschutzthemen kaum nachvollziehbar. Nach der Veröffentlichung eines Richtlinienvorschlags zu den VerbraucherInnenrechten möchte die Kommission nun auch bei dem für KonsumentInnen ganz wesentlichen Bereich des Vertragsrechts legislativ tätig werden. Heute wie damals bei der VerbraucherInnenrechte-Richtlinie sieht die Kommission sowohl für VerbraucherInnen als auch für Klein- und Mittelbetriebe viele Vorteile. Das Problem dabei allerdings: Sowohl KonsumentInnenschutzorganisationen als auch UnternehmervertreterInnen äußerten sich skeptisch bis klar ablehnend zu den Plänen der Kommission. Warum die Kommission trotzdem weiterhin bei dieser Meinung bleibt, ist mehr als fragwürdig.
Anlässlich des vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses gemeinsam mit der Europäischen Kommission veranstalteten Europäischen KonsumentInnenschutztages meldeten sich sowohl Justiz-Kommissarin Reding als auch VerbraucherInnenschutz-Kommissar Dalli zu Wort. Zum EU-Vertragsrecht beteiligten sich über 300 interessierte Organisationen und Personen an einer Konsultation. Viele der teilnehmenden Organisationen wollten laut Kommission noch keine definitive Meinung zum Vertragsrecht abgeben und warten auf einen definitiven Vorschlag der Kommission. Die Arbeiterkammer, die ebenfalls an der Konsultation teilgenommen hat, bekennt sich klar zur Verordnung Rom I, die die KonsumentInnen nach dem Günstigkeitsprinzip zuverlässig schützt. Das von der Kommission offensichtlich präferierte System des optionalen Vertragsrechtsinstruments, ein 28. Rechtssystem zusätzlich zu den 27 bereits bestehenden Systemen, lehnt die AK klar ab. Es bürdet dem Verbraucher die Entscheidung darüber auf, welches Recht bei Verträgen zur Anwendung kommen soll und macht die Situation nur noch komplexer. Die Kommission möchte jedoch noch dieses Jahr einen Legislativvorschlag dazu veröffentlichen.

Das Hauptargument der Kommission ist, dass die derzeitige Rechtslage den grenzüberschreitenden elektronischen Einkauf blockieren würde. Es gäbe beim Verbraucher noch sehr viele Unsicherheiten. Während der elektronische Binnenhandel 2010 im Jahresvergleich um 36 % gestiegen sei, waren es im grenzüberschreitenden E-Commerce nur um 9 % mehr. Viele haben Angst vor Betrug, andere wiederum vor Lieferproblemen oder wissen nicht, was sie tun sollen, wenn es zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten beim elektronischen Handel kommt. In 6 von 10 Fällen käme das Geschäft auch gar nicht erst zum Abschluss, weil der Händler das VerbraucherInnenland nicht bediene. Dabei könne der Konsument bei einer Beseitigung aller Barrieren bis zu 1.746 € sparen. Auch auf der HändlerInnenseite ergeben sich laut Kommission Vorteile: Unternehmen, die E-Commerce betreiben, verdienen demnach im Vergleich zum traditionellen Handel mehr. Leider sei aber der Anteil an UnternehmerInnen, die grenzüberschreitend verkaufen von 25 auf 22 % zurückgegangen. Ein Problem sei auch, dass KonsumentInnen über die Warengebote nicht grenzüberschreitend informiert werden wie auf nationaler Ebene und daher keine Preisvergleiche ziehen könnten. Daher setzt sich die Kommission für einen besseren Rechtsrahmen für die KonsumentInnen ein, Hindernisse sollen beseitigt werden.

Sowohl VertreterInnen von VerbraucherInnenorganisationen als auch von Unternehmensverbänden zeigten sich sehr skeptisch gegenüber den Vorstellungen der Kommission. Die Vertreterin von Eurocommerce, Satin, kritisierte, dass Unternehmen auf viele andere Hindernisse stoßen würden, die aber nichts mit dem Vertragsrecht zu tun hätten. Die Einführung eines 28. Rechtssystems wie es die Kommission vorschlägt, hätte nur dann Sinn wenn es den Firmen und VerbraucherInnen tatsächlich etwas bringen würde. Das sei derzeit aber nicht zu sehen. Eine Folgenabschätzungsstudie wäre hilfreich. In dasselbe Horn stieß die stellvertretende Generalsekretärin des Europäischen Konsumentenschutzverbandes BEUC, Ursula Pachl. Sie stellte die Frage, ob die Verbraucher wirklich ein 28. System bräuchten. Ihrer Meinung nach mache das die Lage nur noch komplexer. Darüber hinaus könne der Konsument in der Praxis nicht über das anzuwendende Recht entscheiden, es gebe da keine Verhandlungen mit dem Unternehmer. Daher gebe es auch keine Wahlmöglichkeit wie die Kommission vorzuspielen versucht. Nicht zu Unrecht wird das Instrument des 28. Systems in der Fachliteratur als trojanisches Pferd beschrieben. Pachl wies auf eine Untersuchung hin, die zeigt, dass 7 von 10 Problemen mit dem Vertragsrecht mit dem Verbrauchergeschäft nichts zu tun hätten, sondern Probleme zwischen Unternehmen wären. Auch der Vertreter der EU-Dachorganisation für Klein- und Mittelbetriebe UEAPME, Hendrickx wies darauf hin, dass das Vertragsrecht nicht unbedingt die erste Priorität für Unternehmen sei.

Die zu beobachtende Beharrlichkeit der Kommission bei den Arbeiten an einem Legislativvorschlag zum Vertragsrecht erinnert sehr an die Diskussionen zum Richtlinienvorschlag über die VerbraucherInnenrechte. Damals präferierte die Kommission entgegen der Vorstellungen von verschiedenen Interessenverbänden sowie dem Europäischen Parlament eine Vollharmonisierung des VerbraucherInnenrechts, das heißt nationale Bestimmungen zum VerbraucherInnenrecht sollen durch ein EU-VerbraucherInnenrecht ersetzt werden. Die Kommission blieb trotz zahlreicher Argumente gegen diese Vorgehensweise (unter anderem der Verschlechterung des KonsumentInnenschutzniveaus in den meisten EU-Ländern) bei ihrer Meinung und veröffentlichte einen entsprechenden Richtlinienvorschlag, der nun bereits seit zweieinhalb Jahren von Rat und Europäischem Parlament verhandelt wird.