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Die wirtschaftsnahen Parteien haben nun zum ersten Mal gezeigt, in welche Richtung es gehen soll: Im Beschäftigungsausschuss sprachen sie sich mit einer knappen Mehrheit von 25:24 Stimmen dafür aus, selbständige LKW-FahrerInnen aus der neuen geplanten Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr auszunehmen. Damit ist nun auch eine große Zahl von LKW-LenkerInnen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, die in die Scheinselbständigkeit gedrängt wurden und in Wirklichkeit alle Merkmale eines unselbständig Beschäftigten aufweisen.
Während für Beschäftigte von Transportunternehmen dank Arbeitszeit-Rchtlinie im Straßenverkehr eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von maximal 48 Stunden gilt, sind für Scheinselbständige nun bis zu 86 Stunden möglich. Das letzte Wort zu dieser Richtlinie ist zwar noch nicht gesprochen, die Abstimmung im Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments lässt aber Schlimmes erwarten.

Zur Vorgeschichte: Vor den EU-Wahlen stimmten sowohl der Beschäftigungsausschuss als auch das Plenum des Europäischen Parlaments gegen den Vorschlag der Europäischen Kommission, Selbständige aus der Arbeitszeitrichtlinie auszunehmen. Die Europäische Transportarbeiter-föderation, die österreichische Dienstleistungsgewerkschaft vida und die Bundesarbeitskammer Österreich machten schon damals auf die Folgen einer solchen Ausnahme aufmerksam:
  • Für die Verkehrssicherheit sind negative Auswirkungen zu erwarten, da bei einer Arbeitszeit von bis zu 86 Stunden ein Nachlassen der Konzentration der LKW-LenkerInnen zu erwarten ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Fahrer selbständig oder unselbständig ist. Auch die oft von den Befürwortern der Richtlinie angeführte Verordnung der Harmonisierung der Sozialvorschriften VO 561/2006 hilft hier nicht – diese Verordnung regelt die Lenk- und Ruhezeiten von LKWs. Die Arbeitszeit (umschließt neben dem LKW-Fahren alle administrativen Tätigkeiten, Inspektion des Fahrzeugs, Be- und Entladen, etc.) bleibt trotzdem bei 86 Stunden.
  • Die Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Transportunternehmen wird verzerrt. Während für Unternehmer, die unselbständig Beschäftigte anstellen mit der Arbeitszeitrichtlinie eine Beschränkung der wöchentlichen Arbeitzeit auf maximal 48 Stunden gilt, ist dies für Unternehmen, die über die Konstruktion von Scheinselbständigen arbeiten nicht der Fall. Der Druck für Firmen mit Unselbständigen wird daher steigen, aus ihren Beschäftigten Scheinselbständige zu machen. Damit wird die Lage der Beschäftigten im Transportgewerbe nochmals verschärft. Es ist zu befürchten, dass sich das bisher schon bestehende Lohn- und Sozialdumping in diesem Sektor deutlich ausweitet.
  • Selbst bei einer Reglementierung der Scheinselbständigkeit ist nicht mit einem Ende dieser unfairen Praxis zu rechnen: Es ist für Kontrollorgane kaum möglich festzustellen, ob es sich beim LKW-Fahrer um einen „echten“ Selbständigen oder um einen Scheinselbständigen handelt. Wie soll zum Beispiel ein bulgarischer Exekutivbeamter beurteilen können, ob ein deutscher LKW-Fahrer tatsächlich selbständig ist?
Aus Geschäftsordnungsgründen des Europäischen Parlaments war eine Bestätigung des ersten Votums notwendig. Diese Bestätigung gab es im neu zusammengesetzten Europäischen Parlament leider nicht. Damit wird nun im nächsten Schritt ein neuer Bericht über die Richtlinie im Beschäftigungsausschuss verfasst. Trotz einer kritischen Haltung von Teilen der Liberalen, werden sich die wirtschaftsnahen Parteien (Europäische Volkspartei, Konservative, Europa der Freiheiten, Liberale) mit einem Stimmenanteil von zusammen rund 59 Prozent vermutlich locker gegen Sozialisten & Demokraten, Grüne und Vereinte Europäische Linke durchsetzen.

Das Votum im Beschäftigungsausschuss zur Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr ist vielleicht nur ein Vorgeschmack darauf, was Beschäftigte in den nächsten 5 Jahren auf EU-Ebene von den neuen Mehrheiten im Europäischen Parlament zu erwarten haben.