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Nach den Neuwahlen zum Europäischen Parlament nahm diese Woche der Wirtschafts- und Währungsausschuss seine Arbeit wieder auf. Er wird eine zentrale Rolle bei der demokratischen Bewältigung der Ursachen und Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise spielen. Einziger Wermutstropfen: Konservative und Liberale haben eine klare Mehrheit und wollen nach den Wahlen von strengen Regeln nichts mehr wissen.
20 Gesetzgebungsvorschläge der Kommission im Mitentscheidungsverfahren und 11 sonstige Initiativen. So sieht derzeit das mehr als umfangreiche Arbeitsprogramm des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments aus. Und der Erwartungsdruck auf die Abgeordneten war ihnen bei ihrem Zusammentreffen diese Woche in Brüssel auch anzumerken. Schließlich fallen in ihren Verantwortungsbereich alle europäischen Vorhaben zur Regulierung der Finanzmärkte, um für die Zukunft zu verhindern, dass sich ein ähnliches Desaster wiederholt. Dazu zählen unter anderem Vorhaben zur Regulierung von Hedgefonds und Beteiligungsfirmen, strengere Regeln für Banken, die Eindämmung von Spekulation und Derivaten, die Zukunft der sogenannten Lissabon-Strategie, aber auch die Begrenzung von Managergehältern und Boni, die zeitgleich in Brüssel von den Wirtschafts- und Finanzministern diskutiert wurde.

Angesichts der Fülle an Initiativen wundert es auch nicht, dass einige Abgeordnete – insbesondere nach einem Informationsaustausch mit Mitgliedern des US-Repräsentantenhauses – beklagten, dass das Europäische Parlament mit seinen personellen und finanziellen Ressourcen anderen Gesetzgebungsorganen meilenweit hinterherhinke. So meinte etwa der deutsche Sozialdemokrat Udo Bullmann, dass gute Expertise notwendig sei, die nicht nur von den Finanzlobbys kommen könne.

Erste Aussprache zu Hedgefonds: Konservative und Liberale rudern schon wieder zurück

Ein gutes Beispiel für die Omnipräsenz der Finanzlobby lieferte in der anschließenden 1. Aussprache zum Kommissionsentwurf über Hedgefonds und Private Equity Firmen der neu ernannte Berichterstatter des EP für dieses Dossier, der konservative Franzose Jean-Paul Gauzès. Er bekannte freimütig, dass er vor Kurzem den Londoner Bürgermeister mit Vertretern der „City“ bei sich gehabt hätte. „Wir haben über die Bedeutung der Finanzindustrie für London gesprochen, nicht über eine Städtepartnerschaft“, so Gauzès launig. Die Regulierung von Hedgefonds sei ein schwieriges Thema, es gebe eigentlich keinen Grund, sie zu regeln, da sie die Krise nicht verursacht hätten. Ähnlich die Argumente der „Europäischen Konservativen und Reformisten“, also der Europaskeptiker, und der Liberalen. Versucht die Kommission, das Geschäft von London nach Frankfurt oder Berlin umzulenken, so die rhetorische Frage von Syed Kamall, Schattenberichterstatter für die britischen Euroskeptiker und Wahlkreisabgeordneten in London. Und der deutsche liberale Abgeordnete Wolf Klinz fasste das Credo der Liberalen verständlich zusammen: „Die Welt wird mit jeder Regulierung noch komplexer!“. Interessant auch die Argumentation der neuen Ausschussvorsitzenden, der britischen Liberalen Sharon Bowles: Die Pensionsfonds bräuchten die Hedgefonds, um die hohen Gewinne für die Pensionen der ArbeitnehmerInnen zu erzielen.

Der deutsche Sozialdemokrat Udo Bullmann und der Schattenberichterstatter für die Grünen, der Franzose Pascal Canfin, sprachen sich im Gegensatz dazu für weitere Verbesserungen am Kommissionsvorschlag aus. Es gebe viele kritische Aspekte bei Hedgefonds zu berücksichtigen, so zum Beispiel die Intransparenz der Branche, der hohe Verschuldungsgrad, und die kurzfristige Ausrichtung. Deshalb seien klare Regeln und hohe Standards nötig. Canfin sprach sich auch dafür aus, die Fonds selbst und nicht nur die Manager der Regulierung zu unterwerfen.

Am 6. Oktober wird das Parlament eine 2. Aussprache zu den Hedgefonds führen. Die Mitgliedstaaten wollen das Dossier bis Ende des Jahres in erster Lesung abschließen und üben Zeitdruck auf das EP aus. Alle Abgeordneten waren sich einig, dass dieser Zeitplan nur sehr schwer einzuhalten sein wird.

Finanzlobby: Ein bisschen Kosmetik für die Öffentlichkeit und weiter so wie bisher
Die AK setzt sich für eine strenge Regulierung von Hedgefonds und Beteiligungsfirmen ein und hat ihre Position in einer Stellungnahme an die Kommission übermittelt. Aus informierten Kreisen ebenso wie aus den Debattenbeiträgen im Europäischen Parlament wird deutlich, dass die Finanzlobby bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um den ohnehin bereits löchrigen Kommissionsvorschlag weiter zu verwässern. Strenge Regeln für die Verursacher der Finanzkrise, die Finanzindustrie, waren scheinbar vor der EP-Wahl in Mode. Nachdem die Konservativen aber jetzt im EP über eine beruhigende Mehrheit verfügen, steht zu befürchten, dass wieder „kosmetische Regulierung“ auf der Tagesordnung stehen wird.