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Die Europäische Kommission kommt – mehr als 1 1/2 Jahre nach den ersten Zeichen des Ausbruchs der Finanzkrise – langsam in Fahrt. Diese Woche präsentierte sie in Brüssel ihre Mitteilung an das bevorstehende Treffen der Staats- und Regierungschefs am 19. und 20. März in Brüssel. Fazit: Ein Flickenteppich aus einer Fülle von Einzelmaßnahmen, wie immer schön verpackt, und wie so oft ohne große Ambitionen für den Sozialbereich.
Nach einer ganzen Reihe von Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs sprechen professionelle Beobachter schon von einer „Gipfelitis“ in Europa, und auch unter den Mitgliedstaaten wird Unmut über die häufigen Treffen geäußert, die nicht immer zu bahnbrechenden Entscheidungen führen. Am 19. und 20. März steht jetzt zur Abwechslung mal ein reguläres Treffen auf der Tagesordnung, der sogenannte „Frühjahrsgipfel“ der Staatsoberhäupter und Regierungschefs.

Neue Mitteilung gibt Überblick über Maßnahmen zur Finanzkrise
Zur Vorbereitung dieses Treffens hat die Europäische Kommission jetzt eine neue Mitteilung mit dem englischen Titel „Driving European Recovery“ veröffentlicht. Die Pluspunkte dieser Mitteilung: Sie gibt einen sehr guten Überblick über alle Initiativen und Maßnahmen, die die Europäische Kommission im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise gesetzt hat oder noch vor hat. Und da hat sich mittlerweile Einiges angesammelt.

Ambitionierte Vorhaben für die Finanzmärkte, nur leider zu spät

Beispiel Finanzmärkte. Erst in der vergangenen Woche hat die von der Kommission eingerichtete hochrangige Expertengruppe um den Franzosen Jaques de Larosière einen Bericht veröffentlicht, der sehr klar die mangelhafte Regulierung in Europa brandmarkt und einen breiten Katalog an Maßnahmen vorschlägt. Die Mitteilung der Kommission greift jetzt einige Punkte aus dem Larosière-Bericht auf. So spricht die Kommission von „unakzeptablen Risiken“ in den europäischen Finanzmärkten und möchte 2009 eine „ambitionierte Reform“ auf den Weg bringen. Neben den bereits erfolgten punktuellen Vorschlägen zu Ratingagenturen und Eigenkapitalvorschriften der Banken sollen Vorschläge zu Hedgefonds und Private Equity (geplant für April), Transparenz an den Derivatemärkten (geplant für Juni) und verbesserte Rechnungslegungsvorschriften in den nächsten Monaten Priorität haben. Auch die Aufsicht über die Banken soll verbessert werden. Hier kommt die Behörde zum Schluss, dass das bisherige System der nationalen Aufsicht nicht funktioniert hat und schlägt Aufsichtskollegien von Finanzaufsehern aus mehreren Mitgliedstaaten vor. Auch übernimmt die Kommission den Vorschlag, ein neues Gremium bei der Europäischen Zentralbank einzurichten, das Informationen über alle Risiken im gesamten Finanzsektor sammeln und auswerten und so als Frühwarnsystem dienen soll. Das Gesamtpaket zur Europäischen Finanzaufsicht soll vor Ende Mai präsentiert und von den Staats- und Regierungschefs auf ihrem Treffen im Juni abgesegnet werden, die konkreten Rechtsetzungsschritte folgen dann im Herbst dieses Jahres. Interessant in diesem Zusammenhang auch die Managergehälter: Hier soll im April eine (rechtlich unverbindliche) Empfehlung zu Vergütungen im Finanzsektor verabschiedet werden, gefolgt von legislativen Vorschlägen im Herbst im Rahmen des Pakets über die Finanzaufsicht.

Viel Verpackung bei der Realwirtschaft, viel alte Ideologie bei Strukturreformen

Verhältnismäßig wenig Konkretes und Neues findet sich im Kapitel über die Realwirtschaft. Hier zeigt sich die Kommission wieder mal als „Verpackungskünstlerin“, indem sie einfach die Konjunkturmaßnahmen der Mitgliedstaaten zusammenzählt und als europäisches Programm verkauft. Ein Rückfall in die alte marktliberale Diktion der Barroso-Kommission dann im Teil über den Binnenmarkt. Hier wird wieder mit dem Zaunpfahl gewunken: Strukturreformen müssen – Krise hin oder her – noch mehr beschleunigt werden. Die Mitgliedstaaten sollen sich nicht in den Weg stellen, wenn Unternehmen restrukturieren oder Pleite machen. Und “staatliche Interventionen in unsere Volkswirtschaften“ sollen nach der Krise wieder auf „normale Maße“ zurückgedrängt werden. Als ob die öffentliche Hand es sich ausgesucht hätte, Steuergelder in vom Bankrott bedrohte Banken zu pumpen.

Wenig Neues bei Beschäftigungs- und Sozialpolitik
Und schließlich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsteil unter dem Titel „Menschen in der Krise unterstützen“: Leider erst am Ende der Kommissionsmitteilung ist zu finden, , dass „das Beschäftigungswachstum in den nächsten 2 Jahren negativ sein wird“. Eine noble Verklausulierung der Tatsache, dass in diesem Jahr alleine in Europa 3,5 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen werden und die EU-weite Arbeitslosigkeit im Jahr 2010 auf 10% klettern wird – nach einer Quote von 7% im Jahr 2007. Schlussfolgerung der Kommission: Der „kurzfristige Schmerz“ durch die Krise wird hoch sein, aber Dank der der „erfolgreichen strukturellen Reformen“ auf den Arbeitsmärkten wird eine schnellere Erholung nach der Krise erleichtert. Woher sie diesen Optimismus nimmt, begründet sie jedoch nicht. Hauptbetroffene sind die Jungen, MigrantInnen und Menschen mit „kurzfristigen Arbeitsverträgen“. Die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Rezepte der Kommission erschöpfen sich dann auch in einer Aufzählung der Maßnahmen in den Mitgliedstaaten und auf das Versprechen „gegenseitiges Lernen und den Austausch von guten Praktiken“ befördern zu wollen.

Nächstes Treffen der Regierungschefs im Mai zum Thema Beschäftigung
Schließlich wird auch der für Mai geplante Beschäftigungsgipfel der Staats- und Regierungschefs erwähnt, der mit den Sozialpartnern zusammen vorbereitet werden soll. Er soll eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Lage leisten und konkrete Maßnahmen beschließen, so der Wunsch der Kommission. Die Ziele des Gipfels gibt sie auch schon vor: Strukturreformen für flexiblere Arbeitsmärkte; ein konzertierter Ansatz, um die sozialen Kosten der Krise zu reduzieren; und ein neuer Konsens mit den Sozialpartnern, wie moderne Sozialpolitik aussehen soll. Bis zum Mai will die Kommission als Vorbereitung zum Gipfel in einer Reihe von Workshops in den Mitgliedstaaten Sozialpartner, NGOs und die Zivilgesellschaft zusammenbringen, um diese Themen zu diskutieren.


Weiterführende Informationen:

Pressemitteilung der Europäischen Kommission

Kommunikationspapier der Europäischen Kommission für die Frühjahrs-tagung des Europäischen Rates (nur in Englisch verfügbar)

Annex vom Kommunikationspapier der Europäischen Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates (nur in Englisch verfügbar)