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Die Europäische Kommission präsentierte diese Woche in Brüssel ihre Ideen für neue strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer. So wie auch Ratingagenturen sind insbesondere die großen Prüfungsgesellschaften ins Gerede gekommen, weil sie den Banken trotz beträchtlicher Verluste einen Persilschein ausgestellt hatten. Das soll sich jetzt ändern.
Der französische Binnenmarktkommissar Michel Barnier stellte diese Woche in Brüssel ein Grünbuch der Kommission vor, in dem die weitere Vorgehensweise bei Wirtschaftsprüfern skizziert wird. Ein Grünbuch ist die erste Stufe im EU-Gesetzgebungsverfahren und eröffnet mit einer Reihe von an die Öffentlichkeit gerichteten Fragen die Diskussion.

In dem Grünbuch geht die Kommission auf die Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beim Entstehen und während der Finanzkrise ein. Zahlreiche Banken hätten zwischen 2007 und 2009 gewaltige bilanzielle und außerbilanzielle Verluste verzeichnet, aber dennoch einen "sauberen Vermerk" von den Abschlussprüfern erhalten. Damit sei fraglich, ob Abschlussprüfer ihre gesetzliche und gesellschaftliche Funktion erfüllen, so die Kommission.

Die Fragen, die die Kommission in ihrem Grünbuch aufwirft, haben es in sich. So stellt sie fest, dass die Abschlussprüfer derzeit vor allem formale Überprüfungen vornehmen, ohne die wirkliche wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu analysieren. Die Bankenkrise habe allerdings gezeigt, dass die Erfüllung formaler Kriterien nicht ausreicht. Deshalb stellt die Kommission die Frage in den Raum, "ob es sinnvoll wäre, zu den Ursprüngen zurückzukehren und den Schwerpunkt auf eine substanzielle Überprüfung der Bilanz zu legen." Auch sollen die Prüfer nicht nur zurück in die Vergangenheit schauen, sondern ihren Blick auch in die Zukunft des Unternehmens werfen.

Ein wichtiges Kapitel widmet die Kommission auch den Interessenskonflikten der Prüfungsgesellschaften, die derzeit von jenen bezahlt werden, die sie überprüfen sollen. Die Idee der Kommission: Bestellung, Vergütung und Dauer des Prüfungsauftrags sollen von einer Regulierungsbehörde oder einer anderen dritten Partei statt von dem Unternehmen selbst durchgeführt werden, insbesondere bei Großunternehmen und systemrelevanten Finanzinstituten. Auch eine regelmäßige Rotation der Wirtschaftsprüfer soll „Familienbande“ lockern: Zurzeit beschäftigen mehr als die Hälfte der Unternehmen ihren Prüfer seit mehr als 7 Jahren, rund ein Drittel gar seit mehr als 15 Jahren.
Besonders besorgniserregend für die Branche ist die Überlegung der Kommission, Prüfungsgesellschaften ihre Nebengeschäfte, also das Consulting, zu verbieten. Dagegen laufen die großen Wirtschaftsprüfer bereits jetzt Sturm, da ein erheblicher Anteil ihres Umsatzes aus dem Consultinggeschäft kommt.
Ein besonders schwerwiegendes Problem ist auch die extrem hohe Marktkonzentration. Die Abschlussprüfung großer börsennotierter Unternehmen wird von den sogenannten "Big Four" (Deloitte&Touche; Ernst&Young; PricewaterhouseCoopers; KPMG) dominiert. In den meisten Mitgliedstaaten kommen sie auf einen Marktanteil von über 90%, in Großbritannien bei den 100 Unternehmen der Londoner Börse sogar auf 99%. Die Kommission erkennt in dieser Marktkonzentration systemrelevante Risiken, insbesondere wenn eine der vier Gesellschaften zusammenbrechen sollte. Als Lösungen schlägt sie gemeinsame Prüfungen mehrerer Prüfungsgesellschaften vor, wie sie derzeit schon in Frankreich vorgeschrieben sind. Auch eine Zerschlagung der Giganten wird im Grünbuch als Möglichkeit erwähnt.
Interessierte Parteien haben bis zum 8. Dezember die Möglichkeit, ihre Meinung zu den im Grünbuch präsentierten Ideen zu äußern. Die Kommission will nächstes Jahr entscheiden, ob sie konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen wird.

Weiterführende Informationen:

Grünbuch der Kommission: Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung