Nachrichten

Zurück
In der vergangenen Woche wurde im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg ein wichtiges Dokument verabschiedet, dass dazu beitragen soll, dass sich Ereignisse wie vor dem Ausbruch der Finanzkrise nicht wiederholen. Es geht um Banken, die zu den Hauptauslösern der Finanz- und Wirtschaftskrise zählen, und denen es gelungen ist, durch „kreative“ Konstruktionen die ohnehin schon großzügigen und ausgedünnten Aufsichtsregeln zu umgehen und eine der größten Wirtschafts- und Sozialkrisen der Nachkriegszeit auszulösen. Unter dem verkürzten Titel Änderung der „Eigenkapitalrichtlinie“ (EKR) geht es tatsächlich um sehr viel.
Mit der heißen Nadel gestrickt: Neue Richtlinie wird bald wieder überarbeitet werden müssen
Die jetzt vom Plenum des Parlaments auf Grundlage eines Berichts des österreichischen EVP-Abgeordneten Othmar Karas angenommenen Änderungen an der EKR werden jedoch weder die Auswirkungen der Krise mildern noch das letzte Wort in dieser Angelegenheit sein. Tatsächlich stammt der Entwurf der Kommission von Anfang Oktober 2008 und ist demnach keine direkte Antwort der Kommission auf den Ausbruch der Finanzkrise, die sie ja bis zu diesem Zeitpunkt in ihrer vollen Dimension nicht erkannt hatte. Erst das volle Einschlagen der Krise machte aus einer bereits laufenden „routinemäßigen“ Überarbeitung von zwei Vorgänger-Richtlinien ein willkommenes Produkt für die Kommission, um der Öffentlichkeit Schnelligkeit im Umgang mit der Krise signalisieren zu können. Da die Richtlinie, auch wenn sie jetzt beschlossen wurde, erst von den Mitgliedstaaten angenommen werden muss, ist mit einem Inkrafttreten vor 2011 nicht zu rechnen. Sie wird also im besten Fall ein Element sein, um künftige Krisen besser zu verhindern. Dazu kommt, dass in die neue EKR bereits jetzt eine ganze Reihe von „Überprüfungsklauseln“ eingebaut ist, sie also nach menschlichem Ermessen noch in einigen wesentlichen Punkten abgeändert oder ergänzt werden muss.

Kein großer Wurf bei Aufsicht über Banken
Nichtsdestotrotz behandelt der Text einige wesentliche Punkte: Es geht um die zukünftige Überwachung der Banken. Hier hat sich vor und während der Krise gezeigt, dass die Überwachung von Großbanken nicht erfolgreich sein kann, wenn die Mitgliedstaaten nur in ihrem eigenen „Schrebergarten“ Wache halten und keine Informationen mit den Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten austauschen, während die Banken längst grenzüberschreitend aktiv sind. Die Aufsicht über die Banken muss also deutlich europäisiert werden. Der jetzt vorliegende Beschluss sieht demnach auch „Aufsichtskollegien“ vor, in denen die nationalen Behörden verstärkt zusammenarbeiten sollen. Fraglich bleibt, was geschieht, wenn sich die Behörden in diesen Kollegien streiten. Diese Frage klammert der jetzige Entwurf einfach aus und fordert die Kommission auf, Vorschläge vorzulegen.

Endlich Regeln für Großkredite
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Regulierung von Großkrediten. Verleiht eine Bank an einen Kunden eine zu große Summe, kommt sie ins Strudeln, wenn der Kunde plötzlich Pleite geht. Es ist bezeichnend für die Deregulierungswut der vergangenen Jahrzehnte, die auch maßgeblich von der Kommission und vielen Mitgliedstaaten unter dem Stichwort „Vollendung des Binnenmarktes“ propagiert wurde, dass diese simple Tatsache erst jetzt zu Konsequenzen führen soll. In Zukunft soll eine Bank nicht mehr als 25 Prozent ihres Eigenkapitals an einen einzelnen Kunden vergeben dürfen, und in keinem Fall mehr als EUR 150 Millionen.

Auslöser der Finanzkrise bisher völlig regellos
Auch für die zu trauriger Berühmtheit gelangten „Verbriefungen“ sollen jetzt „Sorgfaltspflichten“ vorgeschrieben werden. Ein verschämter Hinweis darauf, dass es bisher keinerlei Sorgfalt und in Wirklichkeit auch keinerlei Regeln in diesem für die Finanzkrise maßgeblichen Bereich gab. Es handelt sich hier um eine auf den ersten Blick relativ simple Idee: Schulden verschiedenster Art werden zusammengewürfelt, gebündelt und als Wertpapier verkauft. Über Jahrzehnte wurden die Finanzjongleure immer erfindungsreicher und die Konstruktionen immer aberwitziger, die involvierten Beträge immer gigantischer. Über lange Zeit schien das System auch zu funktionieren, weil die Gier die Anleger daran glauben ließ, dass es funktioniert. Es gab keine Regeln, und wer Regeln gefordert hätte wäre in der Hochblüte der Deregulierungsideologie ausgelacht worden. Dass am Ende niemand mehr kontrollieren konnte, ob den Schulden, die da zusammengewürfelt und verkauft wurden, auch tatsächliche Sicherheiten und reale Werte zugrunde liegen, wissen wir heute. Viele wussten es auch vorher, und jene, die wie die Ratingagenturen vorgaben es zu wissen und den Papieren gegen Bezahlung einen Persilschein verpassten, haben versagt. Für die Ratingagenturen haben die Mitgliedstaaten und das Parlament mittlerweile endlich verbindliche Regeln beschlossen, für die Verbriefungen fordern sie in jetzt von der Kommission weitere Vorschläge bis zum Ende des Jahres.

Selbstbehalt bei Verbriefungen: Für Deutschland eindeutig zu wenig
Ein bis zuletzt kontroverser Punkt betrifft noch einen anderen Aspekt von Verbriefungen. Wenn Banken verbriefte Produkte verkaufen, sollen sie in Zukunft 5 Prozent des gesamten Wertes der verbrieften Forderung als Selbstbehalt in ihren eigenen Bilanzen halten. Das soll die Kreditinstitute dazu bewegen, besser nachzudenken, bevor sie irgendwelche gebündelten Produkte verkaufen, deren Risiko sie vielleicht nicht ausreichend kennen. Die Kommission hatte in ihrem ersten Entwurf noch 15 Prozent vorgeschlagen, und Deutschland sogar 20 Prozent. Hier hat die Finanzindustrie dann am Ende ihre Lobbymaschine erfolgreich angeworfen und die 20 Prozent auf 5 Prozent gedrückt. Ein Grund, warum diese Bestimmung auf Widerstand der deutschen Abgeordneten gestoßen ist und zur Ablehnung des Berichts durch die Deutschen führte. Letztlich wurde der Karas-Bericht dennoch mit 454 Ja-Stimmen bei 106 Gegenstimmen und 25 Enthaltungen angenommen.

Alles in allem ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung, der viel zu spät kommt, den arbeitenden Menschen in ihrer gegenwärtigen schweren Lage nicht helfen wird, aber ein bezeichnendes Licht darauf wirft, was passiert, wenn man glaubt, dass die Politik die Märkte sich selbst überlassen soll.