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ZurückInnerhalb der EU ist es gelebte Praxis, dass Menschen in ein anderes EU-Land reisen, dort wohnen, arbeiten oder von ihren Arbeitgeber:innen in ein anderes EU-Land entsandt werden. Ein grenzüberschreitender, digitaler Nachweis etwa im Rahmen der Gesundheitsversorgung, Pensionen oder Familienleistungen ist aber bislang noch nicht durchgängig möglich. Daher hat die EU-Kommission Anfang September in einer neuen Mitteilung Instrumente präsentiert, mit welchen sie einen schnelleren und einfacheren digitalen Zugang zu den Diensten der Sozialversicherung ermöglichen möchte.
Durch die Umsetzung der Vorschläge der Mitteilung zur Digitalisierung in der Sozialversicherung möchten die zuständigen Kommissare Valdis Dombrovskis und Nicolas Schmit jenes Ziel des EU-Politikprogramms zur Digitalen Dekade umsetzen, wonach bis 2030 alle wichtigen öffentlichen Dienste online verfügbar sein sollen. Hingewiesen wird in der Mitteilung auch auf die Daten zur grenzüberschreitenden Mobilität in der EU: So lebten 2021 16 Mio. Menschen aus einem EU/EFTA-Staat in einem anderen EU/EFTA-Staat, 235 Mio. Menschen verfügten über eine Europäische Krankenversicherungskarte, 6 Mio. Menschen bezogen grenzüberschreitend eine Pension und für entsandte Arbeitnehmer:innen wurden 3,6 Mio. sog. A1-Bescheinigungen ausgestellt.
Finalisierung der Projekte EESSI, ESSPASS, einheitliches digitales Zugangstor und digitale Brieftasche
Das elektronische System zum Austausch von Sozialversicherungsdaten (EESSI) dient dem Informationsaustausch zwischen den nationalen Sozialversicherungsträgern. Seit 2019 kann das System genutzt werden und 16,5 Mio. Fälle sind – so die Kommissionsmitteilung – bereits behandelt worden. Noch ist EESSI aber nicht in allen Ländern voll implementiert. In der Mitteilung ruft die Kommission die Mitgliedstaaten dazu auf, EESSI bis spätestens Ende 2024 voll funktionsfähig zu gestalten. Bis Dezember 2023 soll auch das einheitliche digitale Zugangstor für Bürger:innen und Unternehmen vollausgebaut werden, welches einen Online-Zugang zu den wichtigsten Verwaltungsverfahren schaffen soll.
Das Projekt des Europäischen Sozialversicherungspasses (ESSPASS) soll weiter ausgebaut werden. Derzeit befindet sich ESSPASS noch in einer Pilotphase, an der 12 Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, teilnehmen. Über ESSPASS sollen etwa Krankenhäuser in Echtzeit überprüfen können, ob eine Krankenversicherungskarte gültig ist. Bei Kontrollen durch das Arbeitsinspektorat im Rahmen von Entsendungen sollen mithilfe von ESSPASS A1-Dokumente in Echtzeit überprüfbar sein. Als weitere wichtige Projekte nennt die Mitteilung die europäische digitale Identität und die digitale Brieftasche, die es ermöglichen sollen, Dokumente mit Identitätsdaten – etwa auch die A1-Bescheinigung oder die Europäische Krankenversicherungskarte – digital (z.B. am Smartphone) zu speichern, abzurufen und zu teilen.
Für die Vorhaben im Bereich der Digitalisierung der Sozialversicherung sollen über unterschiedliche EU-Programme auch zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) soll stärker eingebunden werden und einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen den nationalen Behörden organisieren. Weitere in der Mitteilung erwähnte Projekte sind die Entwicklung eines Europäischen Tracking-Dienstes für Pensionen, eine einheitliche e-Deklaration für Entsendungen und die Fortsetzung eines 2023-2025 Projektes im Bausektor zur Interoperabilität zwischen Arbeits- und Sozialausweisen verschiedener Länder.
AK: Digitalisierung auch als Unterstützung im Kampf gegen Sozial- und Lohndumping nutzen
Von Seiten der AK sind im Sinne der Arbeitnehmer:innen und Bürger:innen die Digitalisierungsvorhaben der EU-Kommission grundsätzlich zu befürworten. Als einer der Mitgliedstaaten mit den meisten Entsendungen in der EU ist gerade für Österreich ein fairer Wettbewerb mit Kontrollen und einer funktionierenden grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Behörden wichtig. Die Digitalisierung der A1-Bescheinigung und mögliche Kontrollen in Echtzeit mithilfe von ESSPASS durch die Arbeitsinspektorate können einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen Sozial- und Lohndumping leisten. Auch eine verstärkte Einbindung der Europäischen Arbeitsbehörde in die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten ist zu begrüßen. Durch die von der Kommission vorgeschlagenen Digitalisierungsschritte allein wird das Problem des Lohn- und Sozialdumpings jedoch nicht gelöst werden können.
In diesem Sinne analysiert auch eine neue DGB-Studie Sozialversicherungsmissbrauch bei der Erteilung von A1-Bescheinigungen. Problematisch ist, dass es bisher legal ist, eine A1-Bescheinigung erst nach Beginn der Tätigkeit im Arbeitsstaat zu beantragen. Ergänzend zu den Reformvorschlägen der EU-Kommission zum ESSPASS, schlägt der DGB daher „eine einheitliche Gestaltung der Beantragung der A1-Bescheinigung und der Entsendemeldung in einem einfach zu handhabenden digitalen System, die Stärkung der Verbindlichkeit der A1-Bescheinigung durch eine verbindliche Vorabbeantragung und Mitführungspflicht sowie eine eindeutige Identifizierbarkeit der Beteiligten“ vor. Aus Sicht der AK wäre hier noch zu ergänzen, dass zusätzlich Arbeitnehmer:innen mindestens drei Monate bei einem Unternehmen beschäftigt sein sollten, bevor sie entsandt werden können, was als zusätzliche Schutzmaßnahme vor Lohn- und Sozialdumping dienen kann.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Presseaussendung zur Mitteilung Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
EU-Kommission: FAQ Mitteilung Digitalisierung der Koordinierung der Systeme der soziale Sicherheit
DGB: Soziale Absicherung über Grenzen sichern
AK Wien: Hartnäckig im Kampf um einen fairen Wettbewerb