Nachrichten

Zurück
In der letzten Plenarwoche des Europäischen Parlaments vor der Sommerpause standen wichtige Dossiers für den Finanzmarkt zur Abstimmung. Für Spannung sorgte die Tatsache, dass bis zuletzt zwischen Parlament und Mitgliedsstaaten keine Einigung über das geplante Finanzmarktaufsichtspaket erzielt werden konnte. Durch einen Trick mit der Geschäftsordnung schafften es die EU-Abgeordneten jedoch, dass zum einen das geplante Inkrafttreten der neuen Aufsichtsstruktur für Jänner 2011 noch in Reichweite bleibt, und zum anderen durch ein geschlossenes Auftreten des Parlaments die Mitgliedsstaaten unter Druck stehen, eine akzeptable Einigung zu finden.

Erstmals gesetzliche Regeln für Bankerbezahlung und Boni

Der Bericht der britischen Sozialdemokratin Arlene McCarthy behandelt eigentlich Änderungen an den bestehenden europäischen Eigenkapitalrichtlinien, enthält aber auch einen wichtigen Teil zur Managervergütung. Erstmals wurden hier verbindliche Grundsätze zur Vergütungspolitik beschlossen. Diese beinhalten ein Verbot garantierter Bonuszahlungen, die Verpflichtung Boni nur auf der Grundlage langfristiger Performance zu gewähren und das Verbot von „golden parachutes“, um erfolglosen Managern ihren Abgang zu versüßen. Banken, die staatliche Hilfen bekommen, werden dazu verpflichtet mit ihren Gewinnen zuerst diese Hilfen zurückzuzahlen, in einem zweiten Schritt ihre Kapitalgrundlage zu stärken, und erst dann besteht die Möglichkeit Boni auszuzahlen. Auch die Höhe der Boni wurde begrenzt. So muss die Bonuszahlung in einem Angemessenen Verhältnis zur Jahresvergütung stehen und nur 30% der Boni dürfen bar ausgezahlt werden. Diese Regelungen, die von allen großen Parlamentsfraktionen Zustimmung erhielten, sind mit dem Rat akkordiert und sollen mit Jänner 2011 in Kraft treten.

Gerangel um Finanzmarktaufsicht

In intensiver Arbeit wurde in den vergangenen Monaten im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments ein Paket zur Neuordnung einer europäischen Finanzmarktaufsicht erarbeitet, das sechs Dossiers umfasst und von der Europäischen Volkspartei, den SozialdemokratInnen, den Grünen und den Liberalen – also allen vier großen Fraktionen – getragen wird. Die Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland und Großbritannien, sträubten sich bis zuletzt gegen einige zentrale Punkte des Pakets, insbesondere gegen Durchgriffsrechte der europäischen Aufsichtsorgane auf nationale Behörden.  In der Nacht von Montag auf Dienstag fand in diesem Zusammenhang eine letzte Verhandlungsrunde zwischen Parlament und Rat statt, in der keine Einigung erzielt werden konnte. Das Parlament stand nun vor der Entscheidung, die für diese Woche geplante Abstimmung im Plenum von der Tagesordnung zu streichen, oder das Paket abzustimmen und mangels Zustimmung des Rates in eine zweite Lesung zu gehen, was eine enorme Zeitverzögerung bedeutet hätte. Schlussendlich entschied man sich für einen Mittelweg: Alle sechs Dossiers wurden abgestimmt und mit breiter Mehrheit (90%) angenommen. Die Schlussabstimmung wurde allerdings auf September verschoben, und somit die erste Lesung nicht abgeschlossen. So bleibt über den Sommer ein Zeitfenster offen, um mit den Mitgliedsstaaten zu einer Einigung zu gelangen. Gleichzeitig setzte das Parlament durch die Abstimmung ein starkes Zeichen, auf das der Rat nun gezwungen ist zu reagieren.

Eigenkapitalvorschriften und Krisenmanagement im Bankensektor

Zurück zu dem Bericht von Arlene McCarthy: Neben der Regulierung der Managervergütung beinhaltet er auch strengere Eigenkapitalvorschriften für spezielle Geschäfte der Banken, die sich während der Krise als besonders riskant herausgestellt haben. Der spekulative Handel mit Finanzprodukten wie Aktien, Optionen und Derivaten und die Wiederverbriefung von Krediten sollen demnach durch einen höheren verpflichtenden Eigenkapitalstock abgesichert werden. Die neuen Regelungen sollen erst mit Ende 2011 in Kraft treten. Darüber hinaus wurde die EU-Kommission ermächtigt einzugreifen, sollte die Gesamtbelastung für die Banken zu groß werden. Die Diskussion um höhere Eigenkapitalquoten für die Banken ist ein Kernauseinandersetzung in der Finanzmarktregulierungsdebatte. Die Kommission hat bereits weitere Änderungen an den Eigenkapitalvorschriften angekündigt, die von der Finanzlobby heftig bekämpft werden, so zuletzt auf dem Treffen des Internationalen Bankenverbands IIF in Wien, wo eine „brandneue“ Studie präsentiert wurde, die „belegt“, dass höhere Eigenkapitalquoten und Regulierung die Kreditvergabe an die Realwirtschaft und damit Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze spürbar negativ beeinflussen würden.

Zu guter Letzt wurde ein Entschließungsantrag der Sozialdemokratin Elisa Ferreira angenommen, der sich mit grenzübergreifendem Krisenmanagement im Bankensektor befasst und Empfehlungen an die Kommission richtet. Gefordert werden unter anderem eine starke europäische Finanzmarktaufsicht,  obligatorische Notfalls- und Abwicklungspläne für Finanzinstitute für den Insolvenzfall und ein Stabilitätsfonds, der künftiges Krisenmanagement finanzieren soll.

Weiterführende Informationen:

Presseaussendung des Europäischen Parlaments zum Krisenmanagement im Bankensektor (nur auf Englisch)

Stellungnahme der Parlamentsfraktionen zum Finanzmarktaufsichtspaket (nur auf Englisch)

Presseaussendung des Europäischen Parlaments zur Deckelung von Bankerboni

Häufig gestellte Fragen zu Eigenkapitalvorschriften und Boniregelung (nur auf Englisch)

Presseaussendung des Europäischen Parlaments zur Finanzmarktaufsicht

AK-Stellungnahme zum Berichtsentwurf "Verordnung der EK über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken"