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Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der EU Mitgliedstaaten wird 2010 deutlich höher ausfallen als angenommen. Das jedenfalls geht aus einem aktualisierten Zwischenbericht hervor, den Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, am Montag präsentierte.

Viermal jährlich veröffentlicht die Kommission eine Vorausschau zur Wirtschaftsentwicklung der EU bzw. des Euroraumes. In den beiden Zwischenberichten liegt das Hauptaugenmerk dabei auf der Inflation und dem BIP. Für letzteres geht man nun von einem Wachstum von 1.8 %  für 2010 aus, bisher wurde 1 % prognostiziert. Vor allem im 2. Quartal war das Wachstum höher als erwartet, was im Bericht nicht zuletzt auf eine vergleichsweise starke Binnennachfrage in diesem Zeitraum zurückgeführt wird.

Kommissar Rehn hält vorsichtigen Optimismus angesichts der Zahlen und Prognosen für angebracht und spricht von einer langsamen Erholung der europäischen Wirtschaft. Gleichzeitig warnt er davor, dass das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte moderater ausfallen wird und nennt als eine von drei Ursachen die anstehenden Budgetkonsolidierungen in den Mitgliedstaaten. Die Unsicherheit über das Wie und Wann dieser Maßnahmen könnte sich, so Rehn, kurzfristig negativ auf die Binnennachfrage auswirken.  Nichtsdestotrotz hält er an der dringenden Notwendigkeit fest, den Schuldenabbau der nationalen Haushalte rasch in Angriff zu nehmen, denn langfristig ist dies, so Rehn weiter, wachstumsförderlich.

Wie die Ausgestaltung der Konsolidierungen aussieht  ist Aufgabe der nationalen Regierungen. Rehn schlägt allerdings ein koordiniertes und auch ein (länderspezifisch) differenziertes Vorgehen vor. Die Überwachung ist Aufgabe der Kommission, was Rehn am Mittwoch in einer Rede vor dem Europäischen Parlament neuerlich betonte. Ein neues Instrument in diesem Zusammenhang ist das vergangene Woche im Finanzministerrat beschlossene „Europäische Semester“. Dieser Anfang 2011 einsetzende Berichtszyklus ist als Frühwarnsystem gedacht, um künftig Entwicklungen wie in Griechenland zu verhindern. Die Mitgliedstaaten stehen dadurch in Sachen Haushaltskonsolidierung bereits jetzt und in Zukunft stärker als bisher unter Zugzwang. 

Budgetsanierung durch Ausgabenkürzungen

Die Kommission hat sich schon öfters für Steuersenkungen bzw. eine Senkung der Steuerquote ausgesprochen. Ein „koordiniertes Vorgehen“ könnte daher bedeuten, dass die Kommission die Länder ermutigt, ihre Budgets ohne Anstieg der Steuerquote zu sanieren. Dies hätte unweigerlich Kürzungen der Ausgaben zur Folge.

Auch durch den Wachstums- und Stabilitätspakt ist dieses Vorgehen gedeckt: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, das mittelfristige Haushaltsziel eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts einzuhalten.“.

Zur Erinnerung: Am Höhepunkt der Krise entschied sich der Rat auf  Vorschlag der der Kommission, die Kriterien des Wachstums- und Stabilitätspakt aufzuweichen, um den Mitgliedsländern die Möglichkeit zu geben fiskalpolitisch  gegen zu wirken. Danach soll der Pakt wieder gelten.

Wann die Krise vorbei ist, wird unterschiedlich bewertet.

Rehn deutet, wie oben angesprochen, den Zwischenbericht als Signal für eine Erholung nach der Krise und sieht offenbar den Zeitpunkt für Haushaltssanierung gekommen. Ein breitgefächerter Strauss der verschiedenen einahmenseitigen Maßnahmen wird daher jetzt schon in den Mitgliedsländern diskutiert und zum Teil schon umgesetzt.

Krise noch nicht vorbei

WIFO – Ökonom Stephan Schulmeister hingegen erklärt zum Beispiel diese Woche, dass wir uns noch „mitten in der Krise“ befinden: „Die Wirtschaftskrise ist noch lange nicht überwunden, das zweite Quartal 2010 war nur ein "Sonderfall", weil die Konjunkturprogramme in Europa noch greifen und die Probleme in den USA und China sich noch nicht auswirkten“.

Ein Argument der ArbeitnehmerInnenseite ist auch, dass die Krise erst vorüber ist, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgeht und sich der Arbeitsmarkt entspannt.

So bemerkte  die aus dem ÖGB kommende Europaparlamentariarin Evelyn Regner am Mittwoch in der „Presse“: „ Mit insgesamt mehr als 23 Millionen Arbeitslosen, zu denen aufgrund des schwachen Wachstums in den meisten Mitgliedstaaten und anderen Schlüsselregionen der Welt noch weitere hinzukommen werden, hat die Krise ihr Ende bei Weitem noch nicht erreicht. Eine zu drastische Verringerung der öffentlichen Defizite und Schulden ist zum jetzigen Zeitpunkt ebenso sozial inakzeptabel wie wirtschaftlich riskant.“

Um der Stimme der ArbeitnehmerInnen mehr Gewicht zu verschaffen, veranstaltet der Europäische Gewerkschaftsbund am 29. September in Brüssel und in einigen anderen europäischen Hauptstädten einen gemeinsamen Aktionstag unter dem Motto:

 „Statt Sparmaßnahmen Vorrang für Beschäftigung und Wachstum“