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Der Ministerrat für Beschäftigung und Soziales diente insbesondere als Vorbereitung für den Europäischen Rat am 18./19. Juni, bei dem Lösungen bzw. Strategien gegen die rasant ansteigende Arbeitslosigkeit in Europa formuliert werden sollen. Diskussionsgrundlage war unter anderem eine Kommissionsmitteilung über die demografischen Herausforderungen der EU. Mit Prognosen über erhöhte altersbedingte Staatsausgaben im Jahr 2060 fordert die Kommission in der Mitteilung zu Budgetdisziplin und Strukturreformen auf. In der schwersten Wirtschafts- und Beschäftigungskrise seit dem zweiten Weltkrieg stößt diese Forderung bei Experten auf völliges Unverständnis.
Gemäß den Kommissionsberechnungen wird die Bevölkerung der EU im Jahr 2060 mit 500 Millionen etwa genauso hoch sein wie heute, allerdings wesentlich älter. Bis zum Jahr 2060 wird die Zahl der über 65-Jährigen von 17 % (2008) auf 30 % der Bevölkerung ansteigen. Auf Grund dieser Entwicklung rechnet die Kommission damit, dass die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Zeitraum um 19 Millionen sinken wird. Entsprechend wird sich das Verhältnis der Personen im erwerbsfähigen Alter zu den Personen über 65 Jahren von 4:1 auf 2:1 in der EU entwickeln. Die Kommission befürchtet somit nicht nur ein niedrigeres Wirtschaftswachstum, sondern auch ein Ansteigen der Sozialausgaben für Pensionen, Gesundheitswesen und Pflege. Die altersbedingten staatlichen Ausgaben werden durchschnittlich in der EU im Jahr 2060 um 4,7 % höher sein als im Jahr 2007. Die prognostizierten Mehrausgaben für Österreich liegen mit 3,1 % unter dem europäischen Durchschnitt. Für die Kommission sind die Konsolidierung der Haushalte und Strukturreformen die unverzichtbaren Komponenten, um auf die demografische Alterung zu reagieren. Aus diesem Grund fordert die Kommission auch in der derzeitigen Wirtschaftskrise zu mehr Haushaltsdisziplin auf. Die Strukturreformen beziehen sich auf eine Verlängerung der Lebensarbeitzeit, einer stärkeren Integration von Jugendlichen und Frauen in den Arbeitsmarkt, einer effizienten Reform von Steuer- und Sozialsystemen und mehr Investitionen in Bildung und Wissenschaft. Ebenso wird auf die Bedeutung der Immigrationspolitik hingewiesen.

In Zeiten, in denen Nobelpreisträger wie Paul Krugman weltweit für höhere Konjunkturpakte werben, erscheint die Forderung nach raschem Schuldenabbau auf Grund der demografischen Alterung paradox. Die Kommissionsmitteilung ist nicht nur bedenklich wegen des schlechten Zeitpunktes oder den vielen Unsicherheiten, die mit Prognosen bis zum Jahr 2060 verbunden sind, sondern auch auf Grund der Tatsache, dass in der Vergangenheit diese Argumentationsmuster meist für die Verlagerung der Pensionsvorsorge vom Umlagenverfahren auf kapitalgedeckte Modelle verwendet wurden. Die Risiken der kapitalgedeckten Pensionsmodelle sind spätestens seit der Finanzkrise offensichtlich.


Weiterführende Informationen:

Pressmitteilung der Kommission zur Bevölkerungsalterung

Kommissionsmitteilung zur Bevölkerungsalterung (nur in Englisch verfügbar)

Ageing Report 2009 (nur in Englisch verfügbar)