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Die Herbstarbeit des Europäischen Parlaments und der übrigen europäischen Institutionen in Brüssel ist wieder in vollem Gange. Ganz oben auf der Tagesordnung steht die Regulierung der Finanzmärkte. Die Finanzlobby hofft, dass der Eifer der Politiker, der Finanzbranche endlich Regeln aufzuerlegen, unter dem Eindruck einer möglichen Erholung der Wirtschaft nachlassen wird. In der Zwischenzeit bringen die Lobbyisten ihre Truppen in Brüssel in Stellung. Jüngstes Beispiel: Die Hedgefonds.
Finanzindustrie: Vergessen ist menschlich
Das Kalkül der Finanzbranche und ihrer Lobbyisten ist einfach. Vom anfänglichen Enthusiasmus der nationalen und europäischen Politiker, die Finanzbranche nach Jahren der Deregulierung endlich an die Leine zu legen, werde schon nicht viel übrig bleiben, und irgendwann werde auch die Öffentlichkeit das Interesse an dem Thema verlieren. Hinzu kommt die für die Finanzindustrie günstige politische Lage nach den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Bundestagswahlen in Deutschland. Die Hoffnung der Finanzbranche ist, dass die Vielzahl der Regulierungsvorschläge, die die Kommission bereits vorgelegt oder angekündigt hat, in einem mehrheitlich wirtschaftsfreundlichen EP und im Kreis der Mitgliedstaaten, die auch überwiegend konservativ regiert werden, bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden. „Business as usual“ eben. Mit diesem letzten Meisterstück der Finanzindustrie hätten die Steuerzahler nicht nur mit Milliardenbeträgen die Finanzbranche vor dem Ruin gerettet. Sie würden jetzt auch noch mal zur Kasse gebeten, wenn die Politiker über notwendige Sparmaßnahmen und Einschnitte in die Sozialsysteme diskutieren, um den Schuldenberg wieder abzubauen. Von der mehr als bedenklichen Lage an den nationalen Arbeitsmärkten ganz zu schweigen.

Milliardeninteressen wollen ohnehin löchrigen Vorschlag noch weiter verwässern
Es geht um Milliardeninteressen, und um die durchzusetzen, nimmt die Branche auch viel Geld in die Hand. Jüngstes Beispiel ist die gerade in Brüssel im Gang befindliche politische Diskussion des Kommissionsvorschlags zur Regulierung von Hedgefonds und privaten Beteiligungsfirmen, ein Wirtschaftszweig, der rund EUR 400 Milliarden alleine in der EU verwaltet. Die Kommission hat noch vor den Wahlen zum EP einen Vorschlag zur Regulierung dieses Sektors vorgelegt, der aus Sicht vieler Experten und Kritiker – auch der AK – äußerst schwach ist. Doch selbst dieser schwache Vorschlag ist für die Finanzlobby noch zu viel.

Sozialpartner in die österreichische Meinungsbildung nicht eingebunden
Der Vorschlag der Kommission wird derzeit sowohl im Europäischen Parlament als auch im Kreis der Mitgliedstaaten diskutiert. Und die Lobbies der Finanzindustrie sind bereits auf allen Ebenen aktiv. Unter den Mitgliedstaaten wird die Gruppe jener, die den Kommissionsvorschlag weiter verwässern wollen, von den Briten angeführt. Sie wollen um jeden Preis die Vormachtstellung der Londoner City bewahren, und die Stabilität des Welt-Finanzsystems interessiert sie dabei recht wenig. Für eine Verschärfung der Regeln sind bisher Frankreich und Deutschland eingetreten. Abzuwarten bleibt, wie sich der Regierungswechsel in Deutschland auf die Haltung der Deutschen beim Thema Regulierung von Hedgefonds auswirken wird. Unklar ist, welche Position Österreich vertritt, vor allem auch deshalb, weil kurioserweise die Sozialpartner nicht in die Ausarbeitung der österreichischen Position einbezogen werden. Wichtige Arbeitnehmerinteressen – man denke an die bisher unzureichende Information der Beschäftigten bei der Übernahme ihres Betriebes durch einen Private Equity Fonds, dessen Schulden anschließend auf den Betrieb abgeladen werden – und Konsumenteninteressen bleiben bei dieser Vorgehensweise einfach unberücksichtigt.

Finanzlobbyisten putzen Klinken im Europäischen Parlament
Auch im Europäischen Parlament haben die Arbeiten zu diesem Thema begonnen. Im zuständigen Ausschuss wird der konservative Franzose Gauzès, der bereits den EP-Bericht zu den Ratingagenturen erfolgreich abgeschlossen hat, Berichterstatter sein. Und auch eine Österreicherin wird Berichterstatterin zu den Hedgefonds sein, die Sozialdemokratin Evelyn Regner für den Rechtsausschuss. Von vielen Abgeordneten wird dabei berichtet, dass die Vertreter der Finanzlobby sich derzeit gegenseitig die Türklinke der Parlamentarierbüros in die Hand drücken. Ihre Hauptargumente beziehen sie dabei aus einer neuen „Studie“, die jüngst von einem „unabhängigen“ Think Tank publiziert wurde.

Methode zwielichtigen Lobbyings: Verstecke Dich hinter einem „unabhängigen“ Think Tank
Der sogenannte Think Tank nennt sich „Open Europe“. Sein Hauptsitz ist in Großbritannien, und hinter ihm stecken die Interessen der Finanzindustrie und des Bankplatzes London. So sieht denn auch seine Philosophie vor, dass das politische Projekt Europa bereits viel zu weit gegangen sei und rückabgewickelt werden solle. In diesem Sinne ist auch die „Studie“ zu den Hedgefonds. Tenor: Hedgefonds und Private Equity sind nicht an der Krise Schuld, schaffen viele Arbeitsplätze und zahlen sehr viel Steuern. Der Vorschlag der Kommission würde die Branche im ersten Jahr bis zu EUR 2 Milliarden und in den Folgerjahren jährlich rund EUR 1 Milliarde kosten und das Wachstum der Branche behindern. Fazit: Der Kommissionsvorschlag müsse „radikal verbessert“ werden.

Wo bleiben die Interessen der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen?
Die Vorgehensweise der Finanzindustrie im Fall der Hedgefondsregulierung ist typisch für die Lobbying-Taktiken von finanzkräftigen Partikularinteressen. „Studien“ werden bei „unabhängigen“ Think Tanks in Auftrag gegeben, mit deren „Ergebnissen“ wird dann in der Öffentlichkeit argumentiert und bei den politischen Entscheidungsträgern lobbyiert. Es ist an der Zeit, dass dieses Milliarden-Spiel hinter den Kulissen im Sinne der Transparenz und der pluralistischen demokratischen Meinungsbildung auch die gesamtgesellschaftlichen Interessen und die berechtigten Anliegen der breiten Bevölkerung, insbesondere der ArbeitnehmerInnen und der KonsumentInnen, berücksichtigt. Ein „Weiter-so-wie-bisher“ kann es im Interesse der Demokratie nicht geben.


Weiterführende Informationen:

Bericht von Open Europe zu den Hedgefonds (nur in Englisch verfügbar)

Stellungnahme der AK zu den Hedgefonds