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Schon jetzt stöhnen viele LKW- und BuslenkerInnen unter ihrer Arbeitslast. Viele von ihnen sind so genannte Scheinselbständige, das heißt sie werden offiziell als selbständig geführt, fahren aber in Wirklichkeit nur für ein Unternehmen, von dem sie in manchen Fällen überdies den LKW geleast haben. Die Kommission wollte dem noch ein i-Tüpfelchen draufsetzen und Selbständige von der Arbeitszeit-Richtlinie ausnehmen. Das Europäische Parlament hat diesen Vorschlag in einer Plenarabstimmung nun abgelehnt. Ein Erfolg, der auf die Aufklärungsarbeit der ArbeitnehmerInnenvertretungen zurückzuführen ist. Noch im September 2009 stand der Beschäftigungsausschuss dem Ansinnen der Kommission positiv gegenüber.
Die Europäische Transportarbeiterföderation kam in ihren Berechnungen zu einer maximal möglichen wöchentlichen Arbeitszeit für LKW- und BuslenkerInnen von mehr als 80 Stunden. Ein derart hohes Arbeitspensum ist nicht nur für die Gesundheit der FahrerInnen schlecht, auch die Verkehrssicherheit wird damit gefährdet. Wiederholt kritisiert wurde von den ArbeitnehmerInnenvertretungen auch, dass damit der Wettbewerb auf der Straße verzerrt wird: Unselbständig beschäftigte LenkerInnen könnten in die Selbständigkeit gedrängt werden, um ebenfalls ein Maximum an Arbeitszeit herauszuholen. Zwar bezieht die Kommission Scheinselbständige in die Arbeitszeit-Richtlinie im Verkehr ein, es ist jedoch in der Praxis bei Kontrollen unmöglich zwischen Selbständigen und Scheinselbständigen zu unterscheiden, womit dieser Passus im Rechtstext wirkungslos bleibt.

Deutliche Ablehnung des Vorschlags dank Aufklärungsarbeit der ArbeitnehmerInnenvertretungen

Die Argumentation von AK EUROPA und den Gewerkschaften zeigte bei den Abgeordneten Wirkung. Bereits im Beschäftigungsausschuss lehnten sie den Richtlinienvorschlag der Kommission ab. Die zuständige Berichterstatterin Edit Bauer (Europäische Volkspartei) ignorierte die Entscheidung des Ausschusses jedoch und nahm, ohne ein Mandat des Europäischen Parlaments zu haben, Verhandlungen mit dem Rat auf. Im Plenum präsentierte Bauer dann den Kompromissentwurf, den sie mit dem Rat ausgehandelt hatte. Nach wie vor war darin vorgesehen Selbständige aus dem Anwendungsbereich der Arbeitszeit-Richtlinie im Straßenverkehr auszunehmen. Diese Vorgehensweise wurde vom Europäischen Parlament nicht goutiert und der Änderungsantrag des Beschäftigungsausschusses zur Ablehnung des Richtlinienvorschlags nun endgültig mit 368 zu 301 Stimmen befürwortet. Mehr als ein Drittel der eigenen Fraktion stellte sich gegen Bauer und befürwortete ebenfalls die Ablehnung des Richtlinienvorschlags.


Quelle: Europäisches Parlament

Die Allianz der Sozialisten & Demokraten (S&D), die Grünen und die Vereinigten Europäischen Linken (VEL) stimmten de facto geschlossen für die Ablehnung. Ihnen folgten mehr als ein Drittel der Europäischen Volkspartei (EVP), einige wenige Liberale (ALDE) und in etwa die Hälfte der fraktionslosen Abgeordneten (NI). Gegen eine Ablehnung sprachen sich vor allem die EVP, die ALDE, die Europäischen Konservativen (ECR), die Fraktion Europa der Freiheit und Demokratie (EFD), die Hälfte der Fraktionslosen und ein ungarischer S&D-Abgeordneter aus.

Wie stimmten die österreichischen EU-Abgeordneten ab?

Bereits in der Debatte vor der Abstimmung war herauszuhören, wie die österreichischen Abgeordneten abstimmen würden. EU-Abgeordnete Lichtenberger von den Grünen kritisierte, dass unselbständig beschäftigte FahrerInnen in die Selbständigkeit gedrängt würden. Karin Kadenbach von der SPÖ verurteilte das mangelnde Demokratieverständnis von EU-Abg. Bauer, weil sie ohne Mandat mit dem Rat verhandelt hatte. Sie sieht einen Rückschritt für den Wohlstand der Gesellschaft, sollten Selbständige von der Richtlinie ausgenommen werden. Ganz anders jedoch der ÖVP-Abgeordnete Rübig: Die Wettbewerbsfähigkeit müsse unter anderem vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise erhöht werden, die in der Verordnung 561/2006 definierten Lenk- und Ruhezeiten seien ausreichend. Er stellte auch noch einen Vergleich mit der Arbeit eines EU-Abgeordneten an: Wenn diese nach 15 Stunden Arbeit in ihr Auto einstiegen und nach Hause fahren, wäre das für sie nicht mehr möglich, würde für sie die Richtlinie gelten. Die Abgeordneten der SPÖ, der Liste HPM und der Grünen stimmten geschlossen für die Ablehnung des Kommissionsvorschlags. Bei der ÖVP stimmte nur Karas gegen den Richtlinienvorschlag, die anderen Abgeordneten teilten die Meinung Bauers. Auch die FPÖ war leider gegen eine Ablehnung der Richtlinie.

Wie geht es nun weiter?

Unmittelbar nach der Abstimmung wurde die Kommission vom Europäischen Parlament gefragt, ob sie ihren Vorschlag nun zurückziehen würde. Die Antwort von Verkehrskommissar Kallas fiel kryptisch aus: Sie würden nun im Kommissionskabinett darüber beraten, wie sie weiter vorgehen wollen und ihre Entscheidung später bekanntgeben. Viel anderes wird der Kommission nun aber nicht mehr übrigbleiben, denn das Parlament bekannte sich auch in ihrer Schlussabstimmung (legislative Entschließung), die nach dem Statement der Kommission folgte, deutlich mit 383 zu 263 Stimmen zu ihrem Standpunkt. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die Kommission den Richtlinientext nun überarbeiten und dem Europäischen Parlament und dem Rat dann einen neuen Vorschlag vorlegen wird.