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ZurückNach langen Verhandlungen kommt das Handelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland zu einem Abschluss. Die Zustimmung des EU-Parlaments wird in Kürze erwartet. Dabei sehen manche in diesem Abkommen sogar den „Goldstandard“ für zukünftige Handelsabkommen. Doch es ist nicht alles Gold was glänzt. Tatsächlich ist es noch ein weiter Weg zu einer umfassend sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Handelspolitik.
Die Verhandlungen für das Handelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland haben im Mai 2018 begonnen. Es hat insgesamt vier Jahre und zwölf Verhandlungsrunden gebraucht, bis sich die EU-Kommission und die neuseeländische Regierung im Juni 2022 geeinigt haben. Ein Jahr später, im Juli 2023, wurde das Handelsabkommen unterzeichnet – jetzt ist das EU-Parlament am Zug. Aufgrund einer zentralen Neuerung ist das Abkommen von besonderem Interesse: So soll es erstmals möglich sein, bei Verstößen gegen das Kapitel zu „Handel und nachhaltige Entwicklung“ (Trade and Sustainable Development – TSD) mit Sanktionen zu reagieren, so wie es auch bei allen anderen Kapiteln in Handelsabkommen der Fall ist.
Auf dem Weg zu nachhaltigem Handel?
Eine neue, von der AK beauftragte Studie über das EU-Neuseeland Abkommen fällt jedoch ernüchternd aus. Thomas Fritz, Autor der Studie, analysiert, dass Sanktionsmöglichkeiten nur in Teilbereichen vorgesehen sind. Bei Verstößen gegen die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die ILO-Kernarbeitsnormen (z.B. Verbot von Zwangsarbeit) können in Zukunft als letztes Mittel Handelsbeschränkungen auferlegt werden. Der Großteil des TSD-Kapitels, wie Verpflichtungen zu Geschlechtergerechtigkeit, Artenvielfalt, die Entwaldung betreffend und zu nachhaltigem Lieferkettenmanagement bleibt aber weiterhin sanktionslos.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass nur die Vertragspartner, also die Regierungsvertreter:innen der EU und Neuseelands, ein zwischenstaatliches Streitschlichtungsverfahren mit Sanktionsoption initiieren können. Wenn jedoch Gewerkschaften oder NGOs Verstöße gegen Arbeitsrechte oder ökologische Nachhaltigkeitsverpflichtungen feststellen, können sie nicht eigenständig dagegen vorgehen. Somit bleibt das Machtmonopol bei denjenigen, die sich von Anfang an nicht für strengere Regulierungen ausgesprochen haben.
Darüber hinaus betont Thomas Fritz die Inkohärenz zwischen dem Nachhaltigkeitsanspruch und den vorgesehenen Marktöffnungen. Die Landwirtschaft und die verarbeitende Industrie werden besonders profitieren, wobei dort leider umweltschädliches Verhalten und Lohn- und Sozialdumping weit verbreitet ist. Gerade dies sollte nicht mit erweiterten Handelsmöglichkeiten belohnt werden.
Kritik bleibt aufrecht
Aus Sicht der Arbeiterkammer ist das Handelsabkommen zwischen der EU und Neuseeland kein Goldstandard, sondern Substandard. Die AK tritt für eine sozial gerechte und klimaneutrale Handelspolitik ein, die mit diesem Abkommen keineswegs erreicht werden kann. Es bedarf fundamentaler Reformen des Handelsregimes der EU. Nachhaltigkeit und die Rechte von Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen müssen an erster Stelle stehen. Die Möglichkeit von Sanktionen muss auf sämtliche Arbeits- und Nachhaltigkeitsverpflichtungen ausgeweitet werden. Das Initiieren von Sanktionsverfahren muss für Gewerkschaften und NGOs möglich sein, denn diese sind vor Ort und wissen über Vertragsbrüche am besten Bescheid. Die EU muss ihren selbstgesetzten Ansprüchen nachkommen, wie zum Beispiel bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu sein.
Der Europäische Verbraucherverband (BEUC) hat in einer Stellungnahme zwar positive Aspekte des Abkommens wie den ehrhöhten Schutz für Konsument:innen bei Online-Einkäufen hervorgehoben, würde das EU-Neuseeland Handelsabkommen aber ebenso nicht als „Modell für nachhaltigen Handel“ bezeichnen. Der BEUC sieht zum Beispiel einen Konflikt zwischen den Zielen des EU Green Deal und denen der Handelspolitik. Die Einfuhr von umwelt- und klimaschädlichen Produkten wird durch das Handelsabkommen gefördert. Deren steigender Konsum wird die Bekämpfung der Klimakrise keineswegs voranbringen.
Wie geht es weiter?
Das Handelsabkommen wurde vom Rat der EU bereits vor dem Sommer abgesegnet, jetzt fehlt noch das EU-Parlament. Dieses wird Ende Oktober im Ausschuss für internationalen Handel und voraussichtlich im November in der Plenarsitzung darüber abstimmen. Wenn das Parlament zustimmt und Neuseeland ebenso den Abschluss seines Ratifizierungsverfahrens bekannt gibt, tritt das Abkommen in Kraft. Dabei ist es höchst zweifelhaft, ob damit tatsächlich ein Kurswechsel in der EU-Handelspolitik eingeleitet wird.
Weiterführende Information:
A&W Blog: EU–Neuseeland: Das fortschrittlichste Handelsabkommen aller Zeiten?
AK Wien: On track for sustainable trade? (Nur Englisch)
EU-Kommission: EU und Neuseeland unterzeichnen ehrgeiziges Freihandelsabkommen
BEUC: EU- New Zealand Trade Agreement (Nur Englisch)