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Zu Beginn der Woche trafen sich die Wirtschafts- und Finanzminister der EU in Luxemburg, um über die Zukunft der Finanzaufsicht in Europa und über die aktuelle Wirtschaftslage zu debattieren.
Wie europäisch soll die zukünftige Finanzaufsicht sein?

Ausgangspunkt der Debatten der Minister war eine Mitteilung der Kommission zur Finanzmarktaufsicht, die am 27. Mai verabschiedet wurde. Die Stärkung der europäischen Dimension der Finanzaufsicht soll Unstimmigkeiten zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden vermeiden helfen. Die Finanzkrise hatte verdeutlicht, was von Experten schon lange kritisiert worden war: Großbanken im europäischen Binnenmarkt agieren schon lange über nationale Grenzen hinweg, aber die Aufsicht über diese Banken ist noch immer weitgehend national geregelt. Wenn es in akuten Krisen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen nationalen Aufsichtsbehörden kommt, gibt es keine effektive vermittelnde Instanz, die Entscheidungen treffen kann. Dies wurde am Beispiel der Großbank Fortis und ihren belgischen und französischen Aufsichtsbehörden deutlich.

Die Kommissionsmitteilung, die auf dem sogenannten Larosière-Bericht aufbaut, empfiehlt einerseits die Einrichtung eines „Europäischen Rats für Systemrisiken“ bei der Europäischen Zentralbank, der Risiken für das gesamte Finanzsystem überwachen soll. Darüber herrschte weitgehend Einigkeit unter den Ministern.

Strittiger war die in der Mitteilung der Kommission vorgesehene Neugestaltung der europäischen Aufsichtsstruktur für Banken, Versicherungen, und Wertpapierhändler. Hier sieht die Kommission drei europäische Agenturen mit eigenem Personal und Budget vor, die eng mit den nationalen Aufsichten zusammen arbeiten sollen. Welche Befugnisse diese Agenturen jedoch haben sollen, wenn sich die Aufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten uneins sind, war unter den Ministern umstritten. Großbritannien setzte sich mit Unterstützung einiger weniger neuer Mitgliedstaaten für schwächere Kompetenzen (und für die City of London) ein, während die Mehrheit der Minister wünscht, dass die Agenturen in Ausnahmefällen bei Streit auch die nationalen Behörden überstimmen können. Jetzt müssen am 18. und 19. Juni die Staats- und Regierungschefs am Europäischen Rat versuchen, einen Kompromiss für diese Frage zu finden. Anschließend soll die Kommission bis zum Herbst konkrete Gesetzesvorschläge vorlegen, das neue europäische Finanzaufsichtssystem soll im Laufe des Jahres 2010 stehen.

Banken unter Stress: Wie belastungsfähig sind sie und soll das die Öffentlichkeit wissen?

Weiterer Diskussionspunkt waren die Banken. Einem internen Bericht über die bisher erfolgten Hilfsmaßnahmen zufolge haben die Mitgliedstaaten bisher den Bankensektor mit staatlichen Hilfen von 3.700 Milliarden Euro unterstützt, das entspricht über 30 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der EU. Haben sich die Hilfen gelohnt? Um das herauszufinden, hatten die Finanzminister auf einer ihrer letzten Sitzungen beschlossen, einen sogenannten „Banken-Stresstest“ durchzuführen, wie ihn die Amerikaner bereits vor längerer Zeit durchgeführt haben. Es handelt sich dabei um Simulationen, wie gesund die Banken bei Annahme von wirtschaftlichem Stress sind. Streit gab es im ECOFIN bei der Frage, ob der Test auch für einzelne Banken durchgeführt werden soll, wie dies der Wirtschaftskommissar Almunia und der Internationale Währungsfonds fordern, oder nur für die Gesamtheit der Banken in der EU, und ob die Ergebnisse veröffentlicht werden sollen oder nicht. Deutschlands Finanzminister Steinbrück sprach sich vehement gegen eine Stressprüfung für einzelne Banken und gegen die Publikation von Ergebnissen aus.

Sparen in der Krise oder Maastricht-Kriterien aufweichen?

Selbstverständlich war auch die allgemeine Wirtschaftslage ein wichtiger Diskussionspunkt. Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Krise auf den nationalen Arbeitsmärkten erst begonnen hat, und dass der Wirtschaftseinbruch in den vergangenen 6 Monaten erschreckend gewesen sei. Die Folge: Die Mitgliedstaaten mussten tief in die Kasse greifen, um die Folgen der Krise abzufedern, und eine Mehrzahl von ihnen steht jetzt vor Rekorddefiziten. Laut EU-Vertrag dürfen die Budgets der Euro-Staaten jedoch den Wert von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Tun sie das doch, droht ein blauer Brief aus Brüssel. Und der droht jetzt bis zu 13 Mitgliedstaaten. Ein Dilemma, macht es doch keinen ökonomischen Sinn, mitten in der Krise wieder den Sparstift (auf Kosten der Arbeitnehmer) anzusetzen. Frankreich versuchte, einen Kompromiss vorzuschlagen: Die EU solle zwischen dem „normalen“ strukturellen Defizit und dem „Krisendefizit“ (das die Ausgaben zur Bewältigung der Krise umfasst) unterscheiden. Die Budget-Hardliner aus Deutschland schmetterten diesen Vorschlag jedoch gleich wieder ab. Unterdessen hat Schweden angekündigt, sich während seiner kommenden Präsidentschaft ab Juli dieser Frage besonders zu widmen.


Weiterführende Informationen:

Schlussfolgerungen des Rates zur Stärkung der Finanzaufsicht (nur in Englisch verfügbar)

Pressemitteilung zu den Ergebnissen des ECOFIN

Mitteilung der Kommission: Europäische Finanzaufsicht

Bericht der de Larosière Gruppe