Nachrichten

Zurück
Diese Woche kam es im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments in Brüssel zur zweiten Aussprache zum geplanten Vorhaben der Europäischen Kommission, Hedgefonds und private Beteiligungsgesellschaften (Private Equity) erstmalig europäisch zu regulieren. Der Vorschlag der Kommission muss im sogenannten Mitentscheidungsverfahren gemeinsam vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Beide Organe haben bereits mit einer inhaltlichen Prüfung des Kommissionsvorschlags begonnen.
Berichterstatter Gauzès präsentiert Arbeitsdokument
Berichterstatter im Parlamentsausschuss ist der Franzose Jean-Paul Gauzès von der Europäischen Volkspartei (EVP), ein erfahrener Parlamentarier für schwierige Dossiers. Er präsentierte ein Arbeitsdokument, das jene Punkte enthält, die zwischen den Fraktionen besprochen werden sollen. Der österreichische Abgeordnete Othmar Karas (EVP) bemerkte, dass die Wahl von Gauzès als Berichterstatter eine gute sei, darüber hinaus aber eine große Kraftanstrengung aller Fraktionen notwendig sei, um im Parlament zu einer Lösung zu kommen.

Goebbels: Finanzindustrie will gar keine Regulierung!
Worum es tatsächlich geht, wurde in einer Wortmeldung des luxemburgischen Schattenberichterstatters Robert Goebbels von den Sozialisten & Demokraten (S&D) deutlich. Er sei jetzt seit 10 Jahren Mitglied im ECON, habe aber noch nie ein derartiges Ausmaß an Lobbying erlebt, so Goebbels. Derzeit türme sich auf seinem Schreibtisch ein Stapel an Lobbyingunterlagen der Finanzindustrie. Der Tenor der meisten Stellungnahmen der Industrie zum Kommissionsentwurf sei: „Ja, aber …“. Alle Finanzmarktakteure sagen, dass ihre Situation besonders und anders sei. In Wirklichkeit wolle die Finanzindustrie gar keine Regulierung, so der Luxemburger. Es gebe jetzt große Besorgnis in der Industrie, die Besorgnis in der Bevölkerung sei jedoch noch größer.

Wurde EU-Kommissar McCreevy genötigt?
Völlig konträr äußerte sich der schwedische Liberale Olle Schmidt. „Brauchen wir Regulierung? Nein!“, sprach Schmidt der Finanzindustrie aus der Seele. Der Entwurf der Kommission gehe auf eine „politische Belästigung“ des Binnenmarktkommissars Charlie McCreevy zurück. Der bekennende irische Anhänger eines freien und unregulierten Marktes sei demnach zu diesem Vorschlag genötigt worden.

Klute und Karas: Die Fonds selbst regulieren, nicht die Manager
Der Deutsche Jürgen Klute sprach einen Punkt an, der von vielen Fachleuten – und auch von der AK – besonders hervorgehoben wird. Die Fonds selbst müssten reguliert werden, nicht bloß wie von der Kommission vorgeschlagen die Manager der Fonds. Diese Meinung wurde überraschenderweise auch von Othmar Karas geteilt. Klute sprach sich auch dafür aus, dass eine Finanztransaktionssteuer im Bericht des Ausschusses enthalten sein soll.

Abgeordnete: Das EP soll sich gegenüber den Mitgliedstaaten durchsetzen
Interessantes auch zum Fahrplan im Europäischen Parlament. Hier ist bisher vorgesehen, dass nach der 1. Lesung im Parlament ein Trilog mit dem Rat und dem Parlament stattfinden soll, also eine zweite Lesung vermieden werden soll. Viele Parlamentarier äußerten sich kritisch zu diesem Vorhaben. Karas wies darauf hin, dass eine Einigung im Parlament unter Umständen leichter sein könnte als im Rat, da die Mitgliedstaaten im Rat sehr unterschiedliche Positionen hätten. „Die 1. Lesung im Parlament kann dem Rat auf die Sprünge helfen“, so Karas. Ähnlich auch der deutsche Sozialdemokrat Udo Bullmann: Das EP soll selbstbewusst sein und nicht signalisieren, dass ein Kompromiss in erster Lesung um jeden Preis angestrebt wird.

Das Rennen um Ausnahmen ist eröffnet
Eine Vielzahl an Wortmeldungen gab es zum Anwendungsbereich der Richtlinie. Bekanntlich hat die Kommission vorgeschlagen, dass alle Fondsarten, die noch nicht reguliert sind, unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen sollen. Im Hintergrund hat aber bereits das große Rennen der Lobbyisten begonnen, für ihre Industriezweige Ausnahmen zu verlangen.
Der Österreicher Karas erwähnte sogar, dass Fondsvertreter zu ihm kämen, die glaubten, dass sie wegen des Namens der Richtlinie („Alternative Investmentfonds“) einen Nachteil hätten und schlug eine Umbenennung vor. Außerdem sollten Fonds, die ausschließlich auf nationaler Ebene tätig sind, weniger reguliert werden, so Karas.

Der weitere Fahrplan
Das Parlament hat im Übrigen zwei eigene Folgenabschätzungen in Auftrag gegeben, um die „Löcher“ der Folgenabschätzung der Kommission auszufüllen, so die britische liberale Ausschussvorsitzende Sharon Bowles. Sie sollen Ende November fertig sein. Der schwedische Ratsvorsitz der Mitgliedstaaten versprach Transparenz über die Verhandlungen im Rat für den Herbst. Und auch die Kommission zeigte sich in ihrer Wortmeldung gesprächsbereit, wenngleich sie zu erkennen gab, dass sie am Anwendungsbereich der Richtlinie festhalten will. Am 10. November wird es im Europäischen Parlament zu einer Anhörung von ExpertInnen zum Thema kommen.


Weiterführende Informationen:

Arbeitsdokument des EP Berichterstatter Jean-Paul Gauzès zu Hedgefonds

AK-Stellungnahme zu Hedgefonds und Private Equity