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ZurückDer Energiecharta-Vertrag schützt Investitionen in fossile Energieträger wie Öl, Gas und Kohle. Das Abkommen ist nicht mehr zeitgemäß und mit den Klimaschutzzielen der EU nicht vereinbar. Die EU-Kommission hat daher im Juli 2023 den Austritt der EU vorgeschlagen. Dazu sind ein Beschluss der EU-Mitgliedstaaten und die Genehmigung des EU-Parlaments erforderlich. Am 9. April 2024 haben die zuständigen Ausschüsse des EU-Parlaments grünes Licht gegeben.
Der Energiecharta-Vertrag (ECT), der 1994 unterzeichnet wurde und seit 1998 in Kraft ist, ist ein multilaterales Handels- und Investitionsabkommen mit Bestimmungen zum Investitionsschutz sowie zu Handel und Transit im Energiebereich. Herzstück des ECT ist die umstrittene Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS). Aktuell hat das Abkommen 50 Vertragsparteien, darunter 23 EU-Staaten (alle außer Italien, Frankreich, Deutschland und Polen) sowie die EU selbst und Euratom. Die Vertragsparteien treten regelmäßig in der Energiecharta-Konferenz, dem Entscheidungsgremium des ECT, zusammen. Die AK spricht sich gegen Sonderklagrechte für Energiekonzerne (ISDS) aus und fordert die Beendigung des ECT.
Ausstieg der EU mit Hindernissen
Die EU-Kommission sprach sich zunächst nicht für den Ausstieg der EU, sondern für die Modernisierung des veralteten Vertrages aus. Nach monatelangen Verhandlungen der ECT-Vertragsparteien lag Mitte 2022 ein Entwurf für die Modernisierung vor. Im November 2022 hätte die Energiecharta-Konferenz diesen annehmen sollen. Dazu kam es jedoch nicht, da sich unter den EU-Mitgliedstaaten nicht die erforderliche Mehrheit fand. Deutschland, Frankreich und Polen traten Ende 2022 aus dem ECT aus. Die Modernisierung wurde seither in der Energiecharta-Konferenz nicht behandelt. Dieser Umstand ist in diplomatischer Hinsicht pikant, denn die Initiative zur Modernisierung war ursprünglich von der EU ausgegangen und nun hält diese den Prozess auf; aus der Perspektive des Klimaschutzes und der Rechtsstaatlichkeit ist dies jedoch zu begrüßen.
Aus Sicht der AK würde der ECT durch die Modernisierung einen „grünen Anstrich“ erhalten, die Sonderklagerechte für Energiekonzerne (ISDS) würden jedoch bleiben bzw. sogar noch weiter ausgedehnt werden. Die AK fordert daher bereits seit längerem die Beendigung des Vertrages. Am besten wäre ein gemeinsamer und koordinierter Ausstieg der EU, Euratom und aller EU-Mitgliedstaaten. Ende 2022 erhob auch das EU-Parlament diese Forderung. Die EU-Kommission zog im Juli 2023 nach und schlug ebenso den gemeinsamen und koordinierten Ausstieg der EU, Euratom und aller EU-Mitgliedstaaten vor. Die AK begrüßte diese 180 Grad-Wende der EU-Kommission.
Steigen auch die EU-Mitgliedstaaten aus?
Bedauerlicherweise hat sich inzwischen herausgestellt, dass der Vorschlag der EU-Kommission vom Juli 2023 kein gangbarer Weg für den Rat ist. Zwar wäre die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten bereit, dem Ausstieg der EU und Euratom aus dem ECT zuzustimmen, über die einzelstaatliche Zugehörigkeit zum Vertrag wollen viele Staaten aber selbst entscheiden. Sie lehnen ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen daher ab. Aus diesem Grund lenkte die EU-Kommission im März 2024 ein. Sie hält daran fest, dass die EU und Euratom aus dem ECT austreten, legte zusätzlich aber einen neuen Vorschlag vor, der die Teilnahme der im ECT verbleibenden EU-Mitgliedstaaten an der Energiecharta-Konferenz (und deren dort zu vertretenden Standpunkt im Hinblick auf die Modernisierung) regelt.
Indem die EU-Kommission nicht länger an einem gemeinsamen und koordinierten Ausstieg aller EU-Mitgliedstaaten festhält, will sie erreichen, dass zumindest der Ausstieg der EU und Euratom noch in dieser EU-Legislaturperiode beschlossen wird. Diesem Ziel ist die EU am 9. April 2024 einen Schritt näher gerückt. Die zuständigen Ausschüsse des EU-Parlaments INTA (Internationaler Handel) und ITRE (Industrie, Forschung und Energie) haben mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Als nächster Schritt wird noch das Plenum des EU-Parlaments in seiner letzten Tagung der aktuellen EU-Legislaturperiode darüber abstimmen, bevor der Rat einen entsprechenden Beschluss fassen kann.
Wie geht es weiter?
Wenn das Plenum des EU-Parlaments und der Rat den Ausstieg der EU und Euratom beschließen, wird danach voraussichtlich die Energiecharta-Konferenz über die Modernisierung abstimmen. Die EU-Mitgliedstaaten, die im ECT verbleiben, sind angehalten zuzustimmen. Wieviele EU-Mitgliedstaaten aber überhaupt stimmberechtigt sein werden, hängt vom Datum der Abstimmung ab. Von den 23 EU-Staaten, die bisher noch Vertragsparteien des ECT sind, haben drei – Slowenien, Luxemburg und Portugal – ihren Ausstieg aus dem ECT gemeldet; sie scheiden nach einer einjährigen Frist aus. Weitere EU-Staaten und auch das Vereinigte Königreich haben ihren Ausstieg angekündigt. Ob die verbleibenden ECT-Vertragsparteien die Modernisierung beschließen, ist ungewiss, denn die EU bzw. die EU-Staaten, die den Modernisierungsprozess ursprünglich initiiert haben, werden demnächst in der Energiecharta-Konferenz in der Minderheit sein. Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass der ECT in der jetzigen Version gegen Unionsrecht verstößt. Sollte die Modernisierung scheitern, müssen daher alle EU-Mitgliedstaaten den ECT verlassen. Spätestens dann müsste auch Österreich aus dem ECT aussteigen. Die AK fordert bereits seit langem den Austritt Österreichs – unabhängig davon, ob die Modernisierung zustande kommt oder scheitert.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Der Energiecharta-Vertrag verhindert ökologische Trendwende
AK EUROPA: The Energy Charter Treaty – No significant advantages for Contracting Parties (nur Englisch)
AK: Bewertung möglicher Folgen eines Ausstiegs Österreichs aus dem Energiecharta-Vertrag
AK: Offener Brief an Bundesminister Kocher und Bundesministerin Gewessler zum ECT
A&W-Blog: Klimakiller Energiecharta-Vertrag: Wie werden wir ihn los?
Corporate Europe Observatory: Ein Vertrag, sie alle zu knechten