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Diese Woche hat der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Michel Barnier den lang erwarteten Vorschlag für den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus von Banken (Single Resolution Mechanismen, SRM) vorgelegt. Diese, neben dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) zweite zentrale Säule der zukünftigen Bankenunion soll sicherstellen, dass in Hinkunft die vom SSM observierten, maroden Banken effizient abgewickelt bzw. restrukturiert werden können – ohne dabei auf Finanzmittel der Staatshaushalte und damit der SteuerzahlerInnen zurückzugreifen. Ziel der Bankenunion ist ein weniger fragmentierter Finanzmarkt, strenge Überwachung, eine Überwindung der Kreditklemme und klare Regelung einer etwaigen Sanierung und Abwicklung europäischer Pleitebanken. Im fünften Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise wird es auch Zeit, dass in dieser Hinsicht etwas weitergeht – auch wenn noch einige, große Fragezeichen die Bankenunion begleiten.
Der Kommissionsvorschlag zur Bankenabwicklung stellt den letzten zentralen Baustein der Bankenunion dar. Mit ihm liegen alle Elemente auf dem Tisch; einer Bankenunion, mit der der Finanzsektor auf solidere und überwachte Grundlagen gestellt werden soll und in ein integriertes und einheitliches System für alle europäischen Banken münden soll. Die Gefahr, die von negativen Kettenreaktionen beim Zusammenbruch einzelner Banken ausgehe und die bisherige institutionelle Reaktionsschwäche der Union darauf, würden, so die Argumentation, einen einheitlichen Überwachungs- und Abwicklungsmechanismus notwendig machen. Hauptziel ist es, die Kopplung zwischen souveränen Nationalstaaten bzw. deren Budgets und den Banken zu trennen: Staatsgeld soll nicht mehr, oder nur mehr in äußersten Ausnahmefällen, zur Stabilisierung und/oder Rettung von Pleitebanken herangezogen werden können. „Too big to fail“ dürfe es nicht mehr geben. Es brauche klare Regeln und Zuständigkeiten, die für alle Banken gelten sollen. Durch die Gewährleistung einer zentral abgestimmten Aufsicht und Abwicklung, so Barnier in der Pressekonferenz, und mit einem Mechanismus für die Finanzierung von Abwicklungen werde ein effizienterer Umgang mit Bankenkrisen möglich und „die Verbindung zwischen Staatschuldenkrisen und angeschlagenen Banken aufgebrochen“.

Zentrale Elemente des Mechanismus

Ab Ende 2014 wird die Europäische Zentralbank (EZB) Banken des Euroraums und anderer Mitgliedsstaaten, falls diese das auch beschließen, direkt beaufsichtigen. Dieser Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) soll gemeinsam mit den neuen, strengen aufsichtsrechtlichen Anforderungen (CRD IV; gerade in Trilogsverhandlungen) die Gefahr, dass eine Bank in Probleme schlittert, möglichst verringern. Nachdem das aber nicht völlig ausgeschlossen werden kann, braucht es einen Abwicklungsmechanismus, der auf derselben Ebene wie der SSM operieren kann. Folgende Dramaturgie im Falle eines Bankenproblems ist dabei vorgesehen:
Die EZB nimmt ihre zukünftige Rolle als Aufseherin wahr und macht aufmerksam, wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät und abgewickelt werden soll. Ein zukünftiges Ausschussgremium, bestehend aus Vertretern der EZB, der Europäischen Kommission und der für diese Bank auch zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde, bereitet diese Abwicklung nun vor. Dieses Gremium hat umfassende Befugnisse im Hinblick auf die Analysen und die Festlegung des Abwicklungskonzeptes, wobei die nationalen Behörden eng einbezogen werden. Auf Grundlage dieses Konzeptes beschließt dann die Kommission darüber und legt fest, wie die Abwicklungsinstrumente und der Fonds (s.u.) konkret eingesetzt werden. Unter Aufsicht des kollektiven Ausschussgremiums führt dann die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde die Abwicklung der Bank aus.

Das Gremium des SRM verfügt nun über einen Restrukturierungs- und Abwicklungsfonds. Dadurch soll sichergestellt werden, dass im Falle einer Umstrukturierung von einer Bank Geld vorhanden ist. Dieser Fonds soll in den kommenden 10 Jahren sukzessive von den Banken selbst gespeist werden. Alle 6400 Banken der Eurozone sollen in den Fonds einzahlen. Dabei handelt es sich nicht um Steuern, sondern mehr oder weniger um einen Sonderfonds, der ein Haftungs- und Versicherungsprinzip zwischen den Kreditinstituten installiert, um das Risiko für die Allgemeinheit, die sonst – wie in der Vergangenheit – mit Steuermitteln bei der Bankenabwicklung bzw. –restrukturierung einspringen „musste“, möglichst zu minimieren. Der Fonds soll eine Summe enthalten, die einem Prozent der gesicherten Sparguthaben in allen Euro-Banken entspricht. Das wären 60 bis 70 Milliarden Euro. Sollte der Fonds Auszahlungen tätigen, müssten die Banken Mittel nachschießen. Die bisher im europäischen Gefüge vorgesehenen nationalen Abwicklungsfonds der Mitgliedsstaaten sollen dadurch auch vereinheitlicht und zentralisiert werden.

Keine Vertragsänderung nötig


Es wäre nicht die Europäische Union, würde dieser Versuch einer zentralisierten Überwachung und Abwicklung von Banken nicht nationalstaatliche Ängste über Machtverluste entfachen. Hervorgetan hat sich diesbezüglich der deutsche Finanzminister Schäuble, der stattdessen für ein „Netzwerk“ aus nationalen Aufsichtsbehörden plädiert und auch diese Woche Bedenken ob der Rechtmäßigkeit eines Einheitlichen Mechanismus anmeldete; eine wirkliche Bankenunion verlange – so die vielfach vorgebracht Kritik – nach einer Änderung der Primärverträge. Dies entspricht aber weder der juristischen Sicht der Kommission noch des Rates. Auch das von Sven Giegold (MEP, Grüne) in Auftrag gegebene Rechtsgutachten von René Repasi (Heidelberger Institut für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht) zur rechtlichen Machbarkeit des SRM kommt zum Schluss, dass der Abwicklungsmechanismus auf Basis von Art. 114 Abs. 1 des Lissaboner Vertrages geschaffen werden kann: Die angedachte Regelung über Bankenabwicklung und –restrukturierung zielt auf die Beseitigung von Grundfreiheitshemmnissen bzw. Wettbewerbsverzerrungen und diene so dem Funktionieren eines einheitlichen Binnenmarktes. Überdies handle es sich beim Bankenrestrukturierungsfonds nicht um (Banken-)Steuern, sondern ein bankeninternes „Versicherungsprinzip“ unter Aufsicht. Weiters – so die Studie – greife der SRM auch nicht in die nationale Autonomie der Mitgliedsstaaten ein und auch die Gelder des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) dürften für den Bankenrestrukturierungsfonds nicht herangezogen werden. Dies ist umso bedeutsamer, weil die Eurogruppe selbst (die FinanzministerInnen der Eurostaaten) aktuell eine direkte Rekapitalisierung von Banken durch den ESM diskutiert. Barnier selbst meinte, dass er natürlich auch für eine Vertragsänderung zur Installierung der Bankenunion zu haben sei, dies aber zu lange Zeit in Anspruch nehme und kaum realistisch sei. Man habe seit der Finanz- und Wirtschaftskrise bereits zu viel Zeit verbraucht. Deshalb der Versuch, den SRM über die bereits bestehenden Verträge zu legitimieren.

Es bleibt daher in den kommenden Wochen spannend: In welche Richtung entwickeln sich die Diskussionen? Wie, wenn überhaupt, interagieren institutionell ESM und Bankenunion? Welche Kompromisse zwischen zentral-europäischer und nationalstaatlichen Perspektive werden ausgehandelt? Angedacht ist von der Kommission, dass noch dieses Jahr der SRM fix vom Rat im Dezember abgesegnet wird und mit 1.1.2015 in Kraft treten kann. Bis dahin liegen aber noch einige Steine auf dem Weg. Wäre die Bankenunion schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise in Kraft gewesen, so Barnier am Mittwoch in der Pressekonferenz, hätten die Staaten „nur“ in Fällen von ca. fünf meist irischen Banken mit Steuergeld einspringen „müssen“. Angesichts der 1,6 Billionen Euro, mit denen europäische Staaten ihre Banken seit der Krise mit Steuergeld vor der Pleite bewahrt haben, hat das natürlich einen bitteren Beigeschmack.

Weiterführende Information:


Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (SRM) – FAQs (EN)

Verordnungsvorschlag für Einheitliche Bankenabwicklung (EN)

Gutachten zur rechtlichen Machbarkeit eines „Single Resolution Mechanism“ (SRM)