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Monate, wenn nicht Jahre, hat es gebraucht, dass eines der drängendsten Probleme Europas bis in die offiziellen politischen Institutionen vorgedrungen ist: die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Maßnahmen und gemeinsame Initiativen gegen die Lohnarbeitslosigkeit von Jugendlichen standen nicht nur auf der Tagesordnung des zweitägigen Gipfels der Staats- und Regierungschef letzte Woche, sondern bildeten auch den Grund, warum Merkel die europäischen ArbeitsministerInnen, Regierungschefs und VertreterInnen der nationalen Arbeitsverwaltungen nach Berlin einlud. An Ergebnissen gab es wenig Neues, die in Aussicht gestellten Milliarden an Förderungen bilden angesichts der neuesten Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit nur einen Tropfen auf den heißen Stein.
Die aktuellen Zahlen sind erschreckend: So stieg die saisonbereinigte Arbeitslosenquote im Mai 2013 im Euroraum auf 12,2 % (EU27 11,0 %), das sind 0,9 % mehr als im Vorjahr. 26,5 Millionen EuropäerInnen sind arbeitslos. Zum Vergleich: Vor Ausbruch der EU-Krise, Anfang 2008, gab es in der EU nur 16,1 Millionen Arbeitssuchende (6,8 %). Spanien und Griechenland führen mit einer Arbeitslosenquote von 26 % die traurige Liste an. Erschreckender noch die Daten zur Jugend: 5,5 Millionen Menschen unter 25 Jahre sind arbeitslos, womit die Quote bei 23,1 % (Jänner 2008: 14,7 %) liegt. Die niedrigsten Quoten im Mai 2013 verzeichneten Deutschland (7,6 %), Österreich (8,7 %) und die Niederlande (10,6 %), die höchsten Quoten meldeten Griechenland (59,2 % im März 2013), Spanien (56,5 %) und Portugal (42,1 %).

Angesichts dieser Daten kommt die europäische Politik unter Rechtfertigungsdruck, unterminiert diese soziale Krise zunehmend das „europäische Projekt“ als Ganzes bzw. die Zustimmung zur Union selbst. Das wachsende Selbstverständnis, mit dem von einer „verlorenen Generation“ gesprochen wird, zwingt die Politik zu Initiativen. Lag der bisherige Fokus der europäischen Krisenpolitik auf einer Stabilisierung der Finanzmärkte, einem strikten Abbau der Staatschulden und Sparmaßnahmen, so rückt mit der Massenarbeitslosigkeit ein Problemfeld ins öffentliche Zentrum – eine Arbeitslosigkeit, die gleichsam Folge dieser einseitigen und wachstumsfeindlichen Austeritätspolitik ist. Zum ersten Mal überhaupt stand letzte Woche Jugendarbeitslosigkeit als zentrales Thema auf der Tagesordnung vom Ratsgipfel – und das im fünften Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Staats- und Regierungschefs haben sich dabei auf Maßnahmen wie die „Jugendgarantie“ und die „Jugendbeschäftigungsinitiative“ geeinigt, die ab 2014 wirksam werden sollen. Nachdem eine Übereinkunft über den mehrjährigen Finanzrahmen mittlerweile erzielt wurde, sind diese Maßnahmen auch finanziell abgesichert. Die 6 Mrd. Euro für die Jugendbeschäftigungsinitiative – von der jene Regionen mit mehr als 25 % Jugendarbeitslosigkeit profitieren – werden schon in den ersten beiden Jahren eingesetzt. Insbesondere diese Staaten sollen bis Ende dieses Jahres alle Vorkehrungen getroffen haben, um die Jugendgarantie – jede/r bis 25jährige in Arbeitslosigkeit soll innerhalb von vier Monaten entweder einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder ein Training absolvieren – wirksam werden zu lassen. Verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Behörden und ein wechselseitiges Lernen („Best practice“) sollen die Implementierungen erleichtern. Gelder des Europäischen Sozialfonds sollen speziell dem allgemeinen Ziel Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit untergeordnet werden und die europäische Investitionsbank soll über ihre Programme „Jobs for Youth“ und „Investment in Skills“ Kredite und Haftungen für Projekte vermehrt in Aussicht stellen. Letztlich soll die europäische Mobilität von arbeitslosen Jugendlichen (u.a. Erasmus+ -Programm) angeregt werden.

Bei den Vorschlägen gegen die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen gilt es aber vorsichtig zu sein, um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten: Nicht jede Maßnahme, die einen Ausbildungs- oder Lohnarbeitsplatz verspricht, erfüllt die in sie gesetzten Erwartungen. Mitunter kann eine Forderung einfach auch auf eine Senkung der Löhne und Lohnkosten hinauslaufen, d.h. der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit wird politisch und inhaltlich so gewendet, dass möglichst billige Arbeitskräfte für Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Es besteht daher die Gefahr, dass – ähnlich wie in Deutschland und in sogar von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Rede in Davos im Jänner selbst ausgesprochen – Massenarbeitslosigkeit als Begründung für die Schwächung von ArbeitnehmerInnenrechten und den Ausbau eines Niedriglohnsektors herangezogen wird. Wenn Von der Leyen nach dem Berliner Gipfel von der Notwendigkeit staatlicher Lohnzuschüsse spricht oder Barroso die deutschen Arbeitsmarktreformen als Vorbild für Europa preist, geht das in Richtung Deregulierung von Arbeitsverhältnissen und Lohnsenkung. Es braucht nicht in erster Linie „effizientere“ Arbeitsverwaltungen, Mobilitätsanreize für Junge oder Zwangsverpflichtungen zu fast unbezahlten Praktika, sondern sinnvolle und sozial abgesicherte Arbeitsplätze für junge Menschen, von denen diese Leben und ein Zukunftsvertrauen entwickeln können. Prekarität für alle – im Sinne eines „Hauptsache irgendein Job“ – kann keine Lösung für die Jugendlichen sein.

Weiterführende Information:


Statistik zur (Jugend)Arbeitslosigkeit


Abschlusserklärung des Europäischen Rates vom 28.Juni

Abschlusserklärung von BK Merkel