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Mit einem Vorschlag zur Aufnahme von Verhandlungen mit den USA über ein Freihandelsabkommen sorgt die Kommission wieder einmal für Ärger bei der Zivilgesellschaft. Diese befürchtet, dass das Abkommen für Rückschritte bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucher- und Umweltstandards und bei der Versorgung mit öffentlichen Gütern sorgen könnte. Die Kommission jedoch behauptet das Abkommen bringe 0,5 Prozent mehr Wachstum und schaffe Jobs, das zumindest ist das Ergebnis einer von der Kommission selbst in Auftrag gegebenen Studie.
Diese Woche stand Brüssel ganz im Zeichen des geplanten EU-USA Freihandelsabkommens: Neben einer von AK und ÖGB mitorganisierten Podiumsdiskussion gab es unter anderem eine halbtägige Konferenz der Grünen im Europäischen Parlament sowie eine Abendveranstaltung des Brüssel-Büros Nordrhein-Westfalen. Bei den Veranstaltungen präsentierten EU-Abgeordnete, VertreterInnen der EU-Kommission, GewerkschafterInnen sowie VertreterInnen der Zivilgesellschaft ihre Positionen.

Investor-State Streitbeilegungsmechanismus: Mexiko musste 70 Mio. US-Dollar Strafe zahlen, weil sie Import von toxischem Abfall aus den USA verweigerten

Einer der größten Kritikpunkte bei den Vorbereitungen zu den Verhandlungen zu einem EU USA-Handelsabkommen ist der Plan einen so genannten Investor-Staat Streitschlichtungsmechanismus einzuführen. Ein solcher Mechanismus ermöglicht es Investoren vom Staat Schadenersatz zu beanspruchen, wenn sie sich in ihrer Geschäftstätigkeit in dem Staat benachteiligt fühlen. Die Entscheidung darüber, ob und wieviel Kompensation zu zahlen ist, trifft jedoch nicht ein Gericht, sondern drei von den betroffenen Parteien ernannte Schlichter. Davor warnten eine Reihe von RednerInnen, unter anderem Thea Lee von der US-Gewerkschaft AFL-CIO, die an einem Beispiel die Auswirkungen eines solchen Mechanismus illustrierte: So weigerte sich Mexiko toxischen Abfall aus den USA in ihrem Land zu deponieren. Das jedoch war ein Verstoß gegen das Handelsabkommen mit den USA und im Zuge des Mechanismus erhielt das Abfallentsorgungsunternehmen eine Kompensationszahlung von 70 Mio. US-Dollar. Wie Lori Wallach von der US-NGO Public Citizen’s Global Trade Watch informierte, mussten durch derartige Regelungen bereits 3 Mrd. US-Dollar gezahlt werden. Über ein weiteres Volumen von rund 15 Mrd. US-Dollar werde gerade verhandelt.

Grüne, Linke und SozialdemokratInnen üben Kritik am Freihandelsabkommen


Der deutsche Grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer erklärte, warum der Investor-Staat-Mechanismus überhaupt erfunden wurde: Die Deutschen hätten dieses System in den 1950er Jahren geschaffen, um Investitionen in Staaten abzusichern, die über keinen funktionierenden Rechtsstaat verfügen. Sowohl die USA als auch die EU sind aber funktionierende Rechtsstaaten, daher bestehe überhaupt kein Grund einen solchen Mechanismus in dem Handelsabkommen vorzusehen, so Bütikofer. Sowohl Thea Lee als auch Lori Wallach kritisierten gleichermaßen den Plan, einen Schlichtungsmechanismus zwischen Investor und Staat vorzusehen. Diese seien in Staaten mit einem funktionierenden Rechtssystem wie den USA und der EU nicht notwendig.

Auch Bernd Lange von den SozialdemokratInnen lehnt diesen Ansatz der Kommission ab. Es müsse statt dem Investor-Staat einen Staat-Staat Mechanismus geben. Seine Fraktion wolle Transparenz und ein demokratisches System. Außerdem hob er hervor, dass die ArbeitnehmerInnenrechte geschützt werden müssen. Leider gebe es in den USA sogar Staaten, in denen es verboten sei, Betriebsräte zu gründen. Er sei aber Realist, was das Abkommen anlange und rät, die „low hanging fruits“ zu ernten, also die leicht erreichbaren Ergebnisse wie beispielsweise Zollreduktionen in der Autoindustrie. EU-Mandatarin Franciska Keller von den Grünen übte ebenfalls scharfe Kritik an der mangelnden Transparenz bei den Vorbereitungen zur Verhandlung über das EU-USA Handelsabkommen. Mit dem Abkommen würden Regeln fixiert, die von globaler Relevanz wären, jedoch könnten diese außer der EU und den USA niemand mitgestalten. Bezüglich dem Investor-Staat Schlichtungsmechanismus ist sie einer Meinung mit den anderen RednerInnen. Eine derartige Regelung sei eine demokratiepolitische Gefahr.

Anders hört sich die Meinung von Elmar Brok an, einem deutschen EU-Abgeordneten von der Europäischen Volkspartei. Ein Abkommen mit den USA sei aus demographischen und wirtschaftlichen Gründen nötig. Die EU hätte mit der ganzen Welt Freihandelsabkommen, nur mit den USA nicht. Heute wäre es noch möglich selber Standards zu setzen, daher solle man dies nutzen. Für Brok ist die Standard-Diskussion übertrieben, denn, so Brok über die Sozialstandards in China rege sich ja auch niemand auf. Was allerdings nicht den Tatsachen entspricht, da sowohl Arbeitnehmervertretungen als auch Nichtregierungsorganisationen immer wieder auf die schlechten Arbeitsbedingungen im asiatischen Raum hinweisen.

Gewerkschaften halten Argumentation der Kommission für scheinheilig

Florian Moritz, Mitarbeiter beim DGB-Bundesvorstand in Berlin hält es schlicht für unseriös zu behaupten, dass das Abkommen als Chance gesehen werde, um aus der Wirtschaftskrise rauszukommen. Ein Freihandelsabkommen auszuverhandeln, dauere Jahre, bis dahin sei die EU hoffentlich schon aus der Krise gekommen. Vielmehr müsse man kritisch hinterfragen, wem das Abkommen nütze und wo der Mehrertrag sein soll. Von Seite der Beschäftigten sei kritisch anzumerken, dass die USA bisher überhaupt nur 2 der 8 Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert haben. Arbeitnehmervertretungen hätten es in den USA schwer, Unternehmen können beispielsweise die Gründung von Betriebsräten verhindern. Privatisierungsdruck über das Abkommen müsse verhindert werden, die öffentlichen Dienste könnten infrage gestellt werden.

US-Gewerkschafterin Thea Lee stellte ebenfalls die Frage, was die Motivation hinter dem geplanten Freihandelsabkommen sei. Für die Wirtschaft dürfte es vor allem um so genannte „Trade irritants“ gehen. Damit sind aber Regeln im Bereich der Verbraucher- und Umweltstandards sowie Arbeitnehmerrechte gemeint, die zur Diskussion stehen könnten.

Kommission sieht Wachstum und Jobs durch das Abkommen


Claes Bengtsson, Kabinettsmitarbeiter von Handelskommissar De Gucht argumentierte hingegen, dass die Kommission nicht länger warten wolle, bis multilaterale Handelsvereinbarungen vorankommen. Daher müssen auf bilateraler Ebene Handelsabkommen mit Drittstaaten ausgehandelt werden. Das Abkommen werde das Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozent erhöhen und Beschäftigung schaffen, so die Hoffnung von Bengtsson. Kommissionskollege Leopoldo Rubinacci verteidigt außerdem den Investor-Staat Schlichtungsmechanismus: Sollte diese Regel nicht kommen, müsste man auf den Staat-Staat Mechanismus zurückgreifen und das wäre fragwürdig. Die rechtlichen Systeme in den beiden Wirtschaftsräumen sollen zusammengebracht, nicht jedoch zerstört werden, so Rubinacci.

Gerade die von der Kommission in Auftrag gegebene Studie, die Wachstum und Jobs vorhersagt, wird von vielen Seiten kritisiert. So meint Thomas Klaus vom European Council on Foreign Relations, dass Prognosen zu anderen Handelsabkommen stets wesentlich besser ausgesehen hätten als sie dann tatsächlich waren. Außerdem müsse man sich fragen, ob die Erträge aus dem Abkommen auch gerecht verteilt seien. Welche Effekte hätten die Abkommen für die einzelnen Mitgliedstaaten? Hätten auch Spanien oder Griechenland etwas davon? Eine Antwort darauf blieb die Kommission schuldig. In den bisherigen Diskussionen kommen immer mehr Zweifel auf, wem das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA überhaupt etwas nutzt – außer vielleicht einigen internationalen Großkonzernen.