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Die laufenden Verhandlungen zur Dienstleistungskonzessions-Richtlinie rückten diese Woche in Brüssel wieder in den Vordergrund. Vor allem die Folgewirkungen des Rechtsvorschlags auf die Wasserversorgung standen bei Veranstaltungen im Europäischen Parlament und im Brüssel-Büro des Landes Nordrhein-Westfalen im Mittelpunkt. Einmal mehr wurde die Sinnhaftigkeit des Richtlinienvorschlags hinterfragt.
In den Diskussionen wurden die Erfahrungen Frankreichs und Großbritanniens mit der Liberalisierung und Privatisierung dargestellt. Anne-Marie Perret von der französischen Gewerkschaft Force Ouvrière informierte darüber, dass die Wasserversorgung in Frankreich im Wesentlichen unter drei Konzernen aufgeteilt sei –Veolia, GDF Suez, und SAUR. Diese drei Unternehmen wiesen laut Perret 2010 ein Umsatzvolumen von 12 Mrd. € auf. In Bezug auf die Wasserver- und -entsorgung gebe es in Frankreich auch eine Reihe von Gesetzen, die die Kontrolle dieses Sektors sichern soll. In den 90er Jahren gab es jedoch eine Reihe von Skandalen, die letztlich dazu geführt haben, dass einige Regionen die Wasserversorgung wieder in die kommunale Hand zurückgeführt haben, zum Beispiel Paris, so Perret abschließend. In der Hauptstadt Frankreichs betreut die öffentliche Hand seit 2010 wieder das Wassernetz, Probleme beim Wassermanagement gehören damit der Vergangenheit an, darüber hinaus sind die Wasserpreise für die VerbraucherInnen in Paris nun wesentlich niedriger als in den umliegenden Regionen.

David Hall, Univ. Prof. an der Greenwich-Universität, schilderte, wie sich der Wassersektor in Großbritannien in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. In der Thatcher-Ära wurde den Kommunen zuerst die Zuständigkeit für die Wasserversorgung entzogen, das Wasser sei also „nationalisiert“ worden. Daran anschließend sei der Wasserbereich dann privatisiert worden, obwohl in Großbritannien immer ein großer Teil der Bevölkerung gegen eine Privatisierung gewesen sei. Den privaten Wassermultis seien durch Steuererleichterungen und spezielle Abschreibungsmöglichkeiten vom Staat dann noch rund 7 Mrd. britische Pfund an Subventionen gewährt worden, kritisierte Hall. Die Investitionen seien in den ersten Jahren nach der Privatisierung sogar gestiegen, die Preise jedoch auch. Heute stelle sich die Situation so dar, dass durch die Dividendenausschüttungen an die Muttergesellschaften die Schuldenquote der Wassergesellschaften ständig steige. 2014 laufen dann die Verträge aus. Es sei jedoch nicht klar, was dann passiere, denn ein Passus in den Verträgen sehe eine 25jährige Kündigungsfrist vor. Das sei eine Klausel, die bewirke, dass die jetzigen Unternehmen ihre Konzession de facto nie verlieren würden, so Hall. Es gebe trotz Privatisierung keinen Wettbewerb, eine Chance auf eine Änderung dieser Situation sieht der Professor aus Greenwich derzeit nicht.

Kritik an den laufenden Verhandlungen zur Dienstleistungskonzessions-Richtlinie äußerte Matthias Dierkes, ein Vertreter der deutschen Gelsenwasser AG. Das Unternehmen befindet sich zu fast 99 Prozent in öffentlicher Hand. Wasserbetriebe seien für die Wasserqualität, das Leitungsnetz und die Belieferung der Kunden verantwortlich, auch die Wasserentnahme (aus dem Bach, dem Grundwasser, etc) falle in deren Zuständigkeitsbereich. Ganz anders stelle sich die Situation in Frankreich dar: Dort sei die Verantwortung geteilt, der Kunde werde bei einer Beschwerde von einer Stelle zur nächsten geschickt, bis er irgendwann aufgibt. In Deutschland gehören in den meisten Fällen die Stadtwerke den Kommunen, die die Interessen auf lokaler Ebene vertreten. Der Bürger habe in Deutschland die Möglichkeit sich bei Problemen an die Stadtwerke zu wenden und darüber hinaus kann er auch bei den Wahlen seiner Meinung Ausdruck verleihen. Entgegen den Behauptungen der Kommission sei eine Verzerrung des Binnenmarktes im Wassersektor nie festgestellt worden. Kritik äußerte Dierkes auch an den hohen Transaktionskosten für die Ausschreibung, die mit der neuen Richtlinie verbunden seien. Die Kosten dafür seien sehr hoch. Auch sei eine Verkürzung der Laufzeit der Konzessionen nicht sinnvoll. Bei einer kurzen Laufzeit könnte das Unternehmen Investitionen in das Leitungsnetz aufschieben, was wiederum negative Folgewirkungen für die Wasserqualität hat.

Leider eine ganz andere Sichtweise haben die Europäische Kommission sowie viele EU-Abgeordnete. So hält der italienische sozialdemokratische EU-Mandatar Pier Antonio Panzeri die Richtlinie für sehr nützlich, weil sie den Binnenmarkt ergänze. Mehr Transparenz und Wettbewerb seien notwendig. In den laufenden Triloggesprächen zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission gebe es gute Fortschritte: Über die Laufzeit der Konzessionen werde jedoch noch debattiert. Bezüglich des Modells der Stadtwerke werde noch versucht, eine Formulierung zu finden. Ergänzend führte Kristin Schreiber, Kabinettsmitarbeiterin von EU-Kommissar Barnier, an, dass nirgendwo geschrieben steh, ob die Wasserversorgung privat oder öffentlich erfolgen müsse, da sei die Kommission ganz neutral. Jede Kommune müsse sich selbst organisieren können. Die Richtlinie solle nur zur Anwendung kommen, wenn es die Entscheidung gebe, die Dienstleistung privat zu erbringen. Bezüglich der Stadtwerke sowie der Zweckverbände arbeite die Kommission nun an einer Formulierung, die das vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich gängige Modell der Wasserversorgung weiterhin erlauben soll.

Trotz der Beteuerungen vonseiten der Kommission meinte Johannes Remmel, Umwelt- und Verbraucherminister in Nordrhein-Westfalen, dass man manchmal einfach feststellen müsse, dass Gesetzesentwürfe einfach misslungen sind und es besser wäre die Richtlinie zurückzuziehen.

Eines zeigt sich bei der Diskussion um die Dienstleistungskonzessions-Richtlinie deutlich: Protest gibt es vor allem von Deutschland, Österreich sowie von Slowenien – und das fraktionsübergreifend. Dort gibt es ein gut funktionierendes Wasserversorgungssystem, das hauptsächlich von der öffentlichen Hand erbracht wird. In anderen Ländern dürfte die Wasserversorgung, die oft von privaten Unternehmen vorgenommen wird, nicht besonders gut funktionieren, daher die andere Sichtweise der politischen EntscheidungsträgerInnen in diesen Ländern. Statt sich jedoch ein Beispiel an den gut funktionierenden Wassersektoren zu nehmen, hat die Kommission jedoch eine Richtlinie vorgeschlagen, die zwar für Länder mit einem schlechten privaten System akzeptabel erscheint, was aber gerade für Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich die Weiterführung der teilweise seit mehr als hundert Jahren gut funktionierenden öffentlichen Wasserversorgung gefährdet. Der Vorstoß der Europäischen Kommission hat übrigens auch zur Europäischen Bürgerinitiative mit dem Titel „Wasser ist ein Menschenrecht“ geführt. Die Initiative wurde bereits von fast 1,5 Millionen Menschen in der ganzen Europäischen Union geführt. Die hektischen Umformulierungsarbeiten bei der Kommission zeigen nun, wie schlecht der Richtlinienvorschlag tatsächlich ausgearbeitet worden ist. Für AK EUROPA sowie für viele Gewerkschaftsverbände steht fest: Die optimale Lösung ist eine Ablehnung des Kommissionsvorschlags!

Weitere Informationen:

AK EUROPA-Position zu den Dienstleistungskonzessionen