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Die adäquate Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerflucht und Steueroasen steht aktuell im Zentrum der politischen Debatte auf europäischer Ebene. Es geht darin nicht nur um Steuergerechtigkeit und das Austrocknen eines mitunter mafiös strukturierten Sumpfes, sondern auch um viel Geld: Den europäischen Mitgliedsstaaten entgehen durch diese teils noch immer legalen, teils illegalen Praktiken jährlich ca. 1 Billion Euro – Einnahmen, die nicht nur wichtig für Budgetkonsolidierungen wären, sondern auch nötige Mittel für Investitionen in nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. EU-Kommissar Šemeta hat diese Woche eine Plattform für „Tax Good Governance“ vorgestellt, in der verschiedene ExpertInnen in den nächsten Monaten die Ideen der Kommission – festgehalten im Aktionsplan Ende 2012 – im kritischen Dialog begleiten sollen. Hier braucht es auch öffentlichen Druck, damit diese Vorschläge für eine gerechte und faire Besteuerung nicht versanden.
Der litauische Kommissar für Steuerangelegenheiten, Algirdas Šemeta, hat Dienstag im Pressebriefing der Kommission die Einrichtung einer neuen Plattform für verantwortliches Handeln im Steuerwesen angekündigt. Dieses internationale Forum soll die Fortschritte der Mitgliedsstaaten im Vorgehen gegen aggressive Steuerplanung von großen Unternehmen und Steueroasen begleiten und überwachen. Die Einrichtung dieser ExpertInnengruppe wurde schon im Aktionsplan der Kommission gegen Steuerbetrug und -hinterziehung – verabschiedet im Dezember 2012 – angekündigt, wobei in diesem Plan auch jene Themen angesprochen sind, um die sich die Mitglieder dieser neuen Gruppe annehmen sollen: Es braucht einheitliche Kriterien, um Steueroasen zu erkennen bzw. diese auf „schwarze Listen“ zu setzen. Nicht-EU Staaten sollen dazu gebracht werden, die in der EU (zukünftig) geltenden Standards für verantwortliches Handeln im Steuerbereich anzuwenden. Überdies braucht es ein gemeinsames Vorgehen gegen „aggressive Steuerplanung“ von Großunternehmen, die sich ihrer Steuerpflicht mittels rechtlicher Tricks und Schlupflöcher entziehen. Die Mitgliedsstaaten sollen ihre Doppelbesteuerungsabkommen verbessern, gemeinsame Vorschriften für Missbrauchsbekämpfung, einen automatischen Datenaustausch innerhalb der Union, eine EU-weite Steueridentifkationsnummer, gemeinsame Leitlinien zur Rückverfolgung von Geldströmen und ein Vorgehen gegen schädlichen Steuerwettbewerb seien notwendig. Zu guter Letzt soll Europa auf internationaler Ebene (G8, G20) mit gemeinsamer Stimme auftreten, um international hohe Standards gegen Steuerhinterziehung und –betrug zu entwickeln und durchzusetzen. All diese Themen und Vorschläge, die meist noch in den Kinderschuhen stecken, spielen in dieser Plattform eine Rolle. Die ExpertInnengruppe wird ca. 45 Personen umfassen und soll sich aus einem breiten Spektrum von interessierten AkteurInnen zusammensetzen: VertreterInnen aller nationalen Steuerbehörden werden gemeinsam mit bis zu 15 zusätzlichen ExpertInnen – aufgeteilt auf europaweit tätige Unternehmen, zivilgesellschaftliche Akteure bzw. Gewerkschaften und wissenschaftliche Kreise – einen Beitrag zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und –betrug leisten. Die erste Sitzung dieser Plattform soll schon am 10. Juni stattfinden, wobei Mitgliedsstaaten, Gewerkschaften, NGOs und Unternehmen bis 8.Mai Zeit haben, sich für einen Sitz in der Plattform zu bewerben bzw. ihre SteuerexpertInnen zu nominieren. Die Organisationen werden für eine dreijährige Periode bestellt.

Öffentlicher Druck steigt – Steuergerechtigkeit im Zentrum

Auch auf europäischer und internationaler Ebene ist das Thema Steuerbetrug und –gerechtigkeit aktuell von zentraler Bedeutung. Kein Land der Welt ist in der Lage, Steuerhinterziehung im Alleingang zu bekämpfen. Deshalb ist ein gemeinsames politisches Vorgehen auf europäischer wie internationaler Ebene unabdingbar. Es geht dabei sowohl um das Vertrauen der SteuerzahlerInnen in die Wirksamkeit und Gerechtigkeit ihrer Steuersysteme als auch um die Aufrechterhaltung der Finanzierung von sozialstaatlichen Leistungen. Zwischenstaatliche Fairness und Solidarität sind notwendig, wozu z.B. der automatische Austausch von Zinseinkünften und andererseits das Vorgehen gegen einen schädlichen Steuerwettlauf „nach unten“ zählen. Es ist aus sozialer Gerechtigkeitsperspektive nicht einzusehen, dass eine kleine ökonomische Elite ihre Kapitaleinkünfte vor dem Fiskus versteckt und damit den (Sozial-)Staat hintergeht, während auf die ArbeitnehmerInnen die Kosten für Bankenrettungen und Sparpakete abgewälzt werden. An der aktuellen Debatte um Steuergerechtigkeit hängt daher nicht nur die zukünftige Frage, wie der Ausbau sozialer und nachhaltiger Infrastruktur finanziert werden kann, sondern knüpft auch das Thema der solidarischen Aufteilung dieser notwendigen Investitionen in den Sozialstaat: Je nach Vermögen sollen alle über gerechte und effiziente Steuern zur Finanzierung öffentlicher Leistungen beitragen. Soll die Steuerstruktur eines Landes überdies gerechter gestaltet werden – z. B. über die Einführung von Vermögenssteuern – scheint das uneingeschränkte Wissen der Steuerbehörden über die verschiedenen Einkünfte einer Person unabdingbar.
Politisch gilt es jedenfalls das aktuelle, mediale Momentum zu nutzen und die höchsten Standards in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steueroasen und Steuerbetrug international und auf europäischer Ebene durchzusetzen. Auch Österreich steht, nach einer abrupten Kehrtwendung Luxemburgs - auf europäischer Ebene – wie auch die Pressekonferenz von Šemeta diese Woche gezeigt hat - in der Kritik. Die Weigerung des Finanzministeriums, am automatischen Datenaustauch auf europäischer Ebene mitzumachen, erschwert ein gemeinsames, europäisches Vorgehen der Kommission gegen Drittstaaten wie der Schweiz, Lichtenstein, Andorra oder Monaco.
Sowohl das Abschlusskommuniqué der G20-FinanzministerInnen letzte Woche als auch die Initiativen der OECD gehen eindeutig in Richtung eines automatischen, umfassenden Datenaustausches als neuen globalen Standard. Dem schlossen sich auch Kommissar Šemeta und die irische Präsidentschaft am Mittwoch in einem gemeinsamen Brief an die europäischen FinanzministerInnen im Vorfeld des nächsten ECOFIN-Treffens am 14. Mai an0. Damit es auf Kommissions- und Ratsebene nicht bei leeren Ankündigungen bleibt, muss in den kommenden Wochen auch öffentlicher Druck auf die EntscheidungsträgerInnen erzeugt werden.

Weiterführende Information:


Aktionsplan der Kommission vom Dezember 2012 gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung

Brief von Kommissar Šemeta und dem irischen Finanzminister Noonan an die europäischen Finanzminister (24.4.2013)