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Diese Woche hat EU-Verkehrskommissar Siim Kallas den heftig umstrittenen Legislativvorschlag zu den höchstzulässigen Maßen und Gewichten für Lastkraftwagen aber auch für Busse im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments präsentiert. Dem Vorschlag vorausgegangen war heftige Kritik an Kallas, der den grenzüberschreitenden Einsatz von so genannten Megatrucks – LKWs mit einem Gewicht von bis zu 60 Tonnen und einer Länge von bis zu 25,25 Metern – im Alleingang und quasi über Nacht erlauben wollte. Im nun vorgestellten Richtlinienvorschlag rudert die Kommission nun scheinbar zurück – allerdings nur auf den ersten Blick, denn eine Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit, die anderen Verkehrsträger und die Umwelt besteht nach wie vor.
Wie bereits mehrmals von AK EUROPA berichtet, geriet EU-Verkehrskommissar Kallas unter massiven Druck, nachdem er die Öffentlichkeit darüber informierte, dass der grenzüberschreitende Verkehr mit Megatrucks mit einem Gewicht von bis zu 60 Tonnen durch eine Neuinterpretation der bestehenden Rechtsvorschriften ab sofort möglich sein soll. Eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen, Arbeitnehmervertretungen sowie das Europäische Parlament protestierten aufs Schärfste. Und das zumindest mit einem Teilerfolg: die Maße für Megatrucks werden nun im Rechtsvorschlag angeführt. Damit ist es für den Rat und das Europäische Parlament möglich, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bei den Maßen mitzureden. Verkehrskommissar Kallas musste auch sein wenig demokratisches Vorhaben fallen lassen, ganz allein über eine Einführung von Megatrucks zu entscheiden.

Interessant ist auch der Umstand, dass im Kommissionsvorschlag nun keine Erhöhung des Gewichtslimits auf 60 Tonnen (bisher 40 Tonnen) beziehungsweise einer Länge von 25,25 Metern (bisher 18,75 Meter) erwähnt wird. Die Kommission fokussiert nun ihre Bemühungen auf die Abstimmung der Maße mit den im interkontinentalen Seeverkehr gebräuchlichen Containern, die eine Erhöhung der Länge von LKW um 15 cm nötig macht. Im Zuge der Einführung von aerodynamischen Fahrerkabinen soll ebenfalls eine Anpassung der Maße möglich sein. Beim Höchstvolumen schlägt die Kommission nun nur mehr 44 Tonnen vor. Bei alternativen Antriebssystemen mit Hybrid- oder Elektromotoren soll ein Zusatzgewicht von 1 Tonne erlaubt sein. Für Busse ist im Übrigen ebenfalls eine Erhöhung des erlaubten Gewichts um 1 Tonne vorgesehen. Denn das Gewicht der Passagiere und deren Gepäck sei in den letzten Jahren gestiegen, das müsse laut Kommission berücksichtigt werden.

Im Zentrum des neuen Richtlinienvorschlags steht aber laut EU-Verkehrskommissar die Einführung umweltfreundlicherer Lastkraftwagen. Durch aerodynamische Fahrerkabinen sollen die Schadstoffemissionen deutlich reduziert sowie die Sicherheit für den Fahrer sowie der anderen VerkehrsteilnehmerInnen durch Knautschzonen und Konzepte zur Vermeidung von toten Winkeln erhöht werden. Positiv anzumerken ist auch, dass die Kommission ein neues Wiegesystem für LKW einführen möchte, um die derzeit gängige Praxis Lastkraftwagen zu überladen, in den Griff zu bekommen.

Die EU-Abgeordneten reagierten gleichermaßen positiv auf den Vorschlag der Kommission Lastkraftwagen umweltfreundlicher zu machen und deren Sicherheit zu erhöhen. Die grüne EU-Mandatarin Eva Lichtenberger sprach jedoch einen wesentlichen Punkt bei diesem Vorschlag an: Es gebe keinerlei Verpflichtung künftig derartige Lastkraftwagen zu produzieren oder zu kaufen – Übergangsfristen für diese neue LKW-Generation seien nicht vorgesehen. Vernünftige Unternehmen könnten ähnliche LKWs schon heute am Markt erstehen, so Lichtenberger. Dieser Teil des Kommissionsvorschlags offenbart sich damit als reiner Öko-Schmäh ohne jegliche Verbindlichkeit.
Was den anderen Teil betreffend größerer LKW anlangt, gibt es teilweise erhebliche Kritik von den Abgeordneten. Der Sprecher der Europäischen Volkspartei, Mathieu Grosch, hielt sich mit kritischen Äußerungen zwar zurück, machte aber klar, dass es keine einheitliche Meinung seiner Fraktion zu dem Dossier gebe. Said El Khadraoui von den Sozialdemokraten machte klar, dass seine Partei gegen die grenzüberschreitende Verwendung von Megatrucks eintritt, weil dies ein Wettbewerbsvorteil für die Straße gegenüber der Schiene sei. Die gleiche Meinung vertreten auch die Grünen. El Khadraoui hinterfragt außerdem, warum keine eigene Maut für diese größeren Fahrzeuge vorgesehen sei. Die Abgeordnete Foster von den Europäischen Konservativen sieht insbesondere für Großbritannien ein Sicherheitsproblem, da es dort einen Linksverkehr gebe, das Lenkrad jedoch auf der rechten Seite sei und damit das Blickfeld eingeschränkt sei. Deutlich positiv äußerte sich jedoch die Liberale Gesine Meissner: Ihrer Meinung nach würden künftig statt drei nur mehr zwei Lastkraftwagen unterwegs sein, was für die Umwelt positive Effekte hätte. Wie sie auf dieses Rechenergebnis kommt, hat sie allerdings nicht dargestellt.

Eines zeigt sich deutlich: Die Kommission musste aufgrund des großen Drucks vonseiten der Zivilgesellschaft sowie des Europäischen Parlaments deutliche Zugeständnisse machen. Von 60 Tonnen-Lastkraftwagen ist keine Rede mehr. Wer die Kommission kennt, weiß allerdings, dass die Gefahr noch lange nicht gebannt ist. Sollte weder der Rat noch das Europäische Parlament ein höheres Volumen oder längere Lastkraftwagen vorsehen, könnte die Kommission auf ihre beliebte Salamitaktik zurückgreifen: Nach Verabschiedung der neuen Richtlinie könnte dann bald ein neuer Vorschlag kommen, der eine weitere Erhöhung der Tonnage und der Länge vorsieht. Dieses Spiel wiederholt sie, bis sie ihr Ziel – 60 Tonnen und 25,25 Meter Länge sowie den Einsatz dieser Fahrzeuge in der gesamten Europäischen Union – erreicht hat. Für die Volkswirtschaft und die Gesellschaft wären damit aber hohe Kosten verbunden – die Infrastruktur müsste unter erheblichen Mittelaufwand entsprechend angepasst werden, die Straßenverkehrssicherheit wäre beeinträchtigt, das Verkehrsaufkommen auf der Straße würde weiter zunehmen und das im Vergleich zu Lastkraftwagen erheblich umweltschonendere Transportmittel Bahn würde weiter in den Hintergrund gedrängt werden.

Es dürfte sich erst im Herbst herauskristallisieren, welche Position das Europäische Parlament zu den Megatrucks einnehmen wird. Eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen, sowie Arbeitnehmervertretungen, darunter AK EUROPA, werden weiter Druck ausüben, die Einführung von grenzüberschreitend tätigen Megatrucks zu verhindern.