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Im Zuge der Eurokrise rückte die mangelnde wirtschaftspolitische Koordinierung auf europäischer Ebene in den Mittelpunkt der Debatte. Konnten vor der Einführung des Euros die einzelnen Staaten ihre Wettbewerbsfähigkeit noch individuell durch Währungsanpassungen steuern, ist dies nun nicht mehr möglich. Länder wie Deutschland, die durch eine aggressive Exportstrategie die Löhne niedrig halten, setzen den Rest der Eurozone massiv unter Druck. Instrumente um diesem Trend auf EU Ebene entgegenzuwirken, gibt es bisher keine, und auch die diese Woche präsentierten Pläne der Europäischen Kommission zur wirtschaftspolitischen Koordinierung werden daran wenig ändern. Es ist zu befürchten, dass statt aktiver Koordinierung lediglich eine Art „neoliberale watchdog-Funktion“ der Kommisson gestärkt wird.

Makroökonomische Überwachung

Eines der kontroversesten Themen im Zuge der Eurokrise ist das Auseinanderdriften der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten. Um dem entgegenzuwirken hat sich die Kommission vorgenommen, ein Scoreboard einzurichten, das mithilfe ökonomischer und finanzieller Indikatoren die Entwicklungen der nationalstaatlichen Wettbewerbsfähigkeit anzeigen soll. Wenn sich abzeichnet, dass sich durch ein Land das Ungleichgewicht signifikant vergrößert, tritt ein Korrekturmechanismus in Kraft, der aus detaillierten Länderempfehlungen seitens der Kommission und einer Berichtspflicht der betroffenen Staaten an den Rat und die Eurogruppe besteht. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang wird sein, welche Indikatoren als Maßstab herangezogen werden. Ausdrücklich genannt werden unter anderem die Zahlungsbilanz und das Lohnniveau. Ob Staaten wie Deutschland, die eine aggressive Exportstrategie verfolgen, auch tatsächlich von dem Korrekturmechanismus erfasst werden, bleibt offen. Zu befürchten ist, dass lediglich Länder mit überdurchschnittlich guten Lohnabschlüssen gerügt werden.

Das Europäische Semester

Die Kommission hat in den letzten Monaten immer wieder kundgetan, dass ihr Fokus in der wirtschaftspolitischen Koordinierung auf einer verstärkten Durchsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes liegt. Um dies zu vereinfachen soll ein so genanntes Europäisches Semester implementiert werden. Ziel dieses Europäischen Semesters ist es, die Budget- und Wirtschaftspolitik der Nationalstaaten zeitlich aufeinander abzustimmen. Das Semester startet im Jänner mit einer jährlichen Wachstumsuntersuchung, die die kommenden wirtschaftlichen Herausforderungen analysiert. Im April sollen die Staaten ihre bisher getrennten Stabilitäts- und Reformprogramme nun gleichzeitig vorlegen, woraufhin die Europäische Kommission mit Anfang Juli länderspezifische Empfehlungen ausspricht. In der zweiten Jahreshälfte sollen schließlich die Budgets finalisiert werden. Um die Durchsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu forcieren, werden zusätzlich verschärfte Sanktionsmöglichkeiten angedacht.

In dem Dokument der Kommission wurden noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, wie etwa eine Beschränkung des nationalen budgetpolitischen Gestaltungsspielraumes durch eine verpflichtende Implementierung der Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in nationale Haushaltsrechte, vorgeschlagen. Laut Zeitplan soll der ECOFIN-Rat den Überwachungszyklus des Europäischen Semesters und einen überarbeiteten Code of Conduct des Stabilitäts- und Wachstumspakts bereits in seiner Sitzung am 13. Juli bestätigen. Weitere legislative Vorschläge sind für Ende September diesen Jahres geplant.

Weiterführende Informationen:

Presseaussendung der Kommission

Kommissionspapier zur wirtschaftspolitischen Koordinierung (nur in Englisch verfügbar)


Memo der Kommission: A toolbox for stronger economic governance in Europe (nur in Englisch verfügbar)

Grafik: Zeitstrahl des Europäischen Semesters (nur in Englisch verfügbar)

Spezifizierung der Implementierung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (nur in Englisch verfügbar)