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ZurückNach rund sieben Jahren kamen die Verhandlungen um ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China kurz vor Jahresende 2020 zu einem Abschluss. Bis das Abkommen, das den Zugang zum chinesischen Markt für InvestorInnen aus der EU erleichtern und eine nachhaltige Entwicklung sicherstellen soll, in Kraft tritt, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen.
Ausgerechnet über die Weihnachtsfeiertage ging es Schlag auf Schlag: Am 24. Dezember 2020 verkündete die EU-Kommission – für viele BeobachterInnen durchaus überraschend – die Einigung über ein Post-Brexit-Abkommen mit Großbritannien. Nur wenige Tage darauf, am 30. Dezember 2020, wurde von der Kommission eine „Grundsatzeinigung“ über das Umfassende Investitionsabkommen (CAI) zwischen der EU und China verlautbart.
Verbesserter Marktzugang für europäische Unternehmen
Laut Kommission soll das Abkommen, über das seit 2013 verhandelt wurde, den Zugang europäischer Unternehmen zum Markt in China leichter und berechenbarer machen. Das Abkommen soll durch die Reduktion von Marktzugangsbarrieren bilaterale Investitionsströme erhöhen, Investitionen besser schützen und eine nachhaltige Entwicklung fördern. Letzteres schließe auch die Wahrung grundlegender ArbeitnehmerInnenrechte ein. Auch bezüglich staatseigener chinesischer Unternehmen, der Transparenz von Subventionen, dem erzwungenen Technologietransfer und anderen wettbewerbsverzerrenden Praktiken sollen klare Regeln festgeschrieben werden. Dadurch hofft die Kommission einen fairen Wettbewerb garantieren zu können. Dafür, dass China seinen Verpflichtungen im Rahmen des Abkommens auch wirklich nachkommt, soll ein „tragfähiger“ zwischenstaatlicher Streitbeilegungsmechanismus sorgen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Einigung als „Meilenstein“ für eine „wertebasierte Handelsagenda“ der EU. Vizepräsident und Handelskommissar Valdis Dombrovskis verspricht sich vom Abkommen einen „massiven Auftrieb“ für europäische Unternehmen auf „einem der größten und am schnellsten wachsenden Märkte der Welt“. Für die EU ist China mit seinen rund 1,4 Milliarden VerbraucherInnen der zweitwichtigste Wirtschaftspartner weltweit.
Deutsche Ratspräsidentschaft forcierte rasche Einigung
Dass das Abkommen noch so knapp vor dem Jahresende – und damit zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft – durchgepeitscht wurde, dürfte nicht zuletzt auf den Einsatz der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zurückzuführen sein. Merkel hatte bereits im Sommer betont, dass die EU ein strategisches Interesse an einer aktiven Zusammenarbeit mit China habe. Kritik am Vorgehen Deutschlands kam unter anderem von den Mitgliedsstaaten Italien, Spanien und Belgien. Sie äußerten vor allem Bedenken hinsichtlich Zwangsarbeit in China. Außerdem wird befürchtet, dass das Abkommen die Beziehungen zum designierten US-Präsidenten Joe Biden belasten und einen Neustart der transatlantischen Partnerschaft erschweren könnte. Biden hatte jüngst davon gesprochen, mit Europa eine Allianz gegen China bilden zu wollen.
Kritik aus dem EU-Parlament
Kritik kam auch aus dem EU-Parlament. Der stellvertretende Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zu China, Reinhard Bütikofer (Grüne), kritisierte die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten hinsichtlich Nachhaltigkeit und ArbeitnehmerInnenschutz. Die Zusicherung Chinas, sich um eine Ratifikation der ILO-Kernarbeitsnormen zu bemühen, bezeichnet Bütikofer als „Geschwätz“. Dass die EU hier keine verbindlichen Zusagen eingefordert habe, hält er für falsch. Den verbesserten Marktzugang für europäische Unternehmen sieht Bütikofer auf dem Papier zwar als durchaus positiv, zweifelt aber an einer entsprechenden Umsetzung.
Rund zwei Wochen vor der Einigung hatte das EU-Parlament am 17. Dezember 2020 eine Resolution verabschiedet, in der es die anhaltenden massiven Menschenrechtsverstöße, die Verfolgung muslimischer Minderheiten sowie Zwangsarbeit und Internierung kritisierte. Mit den Stimmen von 604 Abgeordneten fand die Resolution eine deutliche Mehrheit.
Bis das Abkommen in Kraft treten kann, ist es freilich noch ein langer Weg. Erst muss es rechtlich geprüft, in die Amtssprachen der EU übersetzt und vom EU-Parlament abgesegnet werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU-China – Zwischen Partnerschaft und „systemischer Rivalität“
AK EUROPA: Immer mehr Unterstützung für ein EU-Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten